الوصف
Im Januar 2016 begingen LEGIDA-Anhänger_innen den ersten Jahrestag ihrer wöchentlichen Aufmärsche. Leipzig schien sich fast schon an das wöchentliche Spektakel gewöhnt zu haben. Wie in den 1990er Jahren schaukelten sich der rassistische Mob, gewaltbereite Neonazis, die bürgerliche Presse und am rechten Rand agierende Politiker_innen gegenseitig hoch und verschoben Stück für Stück die Grenzen des Sag- und Machbaren. War man anfangs nur “besorgt” um die “Kultur des Abendlandes”, ging es wenig später mit Fackelmärschen gegen Asylbewerber_innen, deren Flammen sich bald schon konkret gegen die ersten Geflüchtetenunterkünfte richteten. Und selbst wenn Geflüchtete mal nicht als Bedrohung in den Medien dargestellt wurden, tauchten sie doch meist als Objekte der Berichterstattung, selten aber selbst als Autor_innen auf. Besonders in Leipzig, wo der öffentliche Diskurs durch die Demagogie von LEGIDA maßgeblich mitbestimmt wurde, fehlten solche Stimmen, die einfach von sich erzählten und auf einer menschlichen Ebene Anknüpfungspunkte boten.
Wir luden deswegen zum vierwöchigen Workshop „Sharing Unofficial Pictures“ ein, wo Menschen mit und ohne Fluchterfahrungen die Fotografie als Mittel zu nutzen lernten, um persönliche Erfahrungen, Erlebtes und Träume zu kommunizieren. Acht Teilnehmer_innen “forschten” zu einem selbst gewähltem Thema, erkundeten dabei ihre eigene Bildsprache und erarbeiteten schließlich eine gemeinsame Ausstellung.
Die Teilnehmer_innen kamen größtenteils schon mit einer eigenen Idee in den Workshop, die sie durch Kreativitätsmethoden, das Feedback der anderen und der Workshopleitung präzisierten und fotografisch umsetzen. In kleinen Vorträgen wurden ihnen unterschiedliche Genres der Fotografie nahe gebracht, die sie sich dann aneignen konnten – darunter so verschiedene Methoden wie Selbstportraits, tagebuchartige oder aus Begegnungen heraus entstandene Fotografien, zu einer bestimmten Stimmung passende Naturaufnahmen, die Verwendung bereits vorhandener Familienfotos oder Architekturaufnahmen bedeutungsgeladener Orte. Wir haben dabei einen Fokus darauf gelegt, dass nicht die bereits in den Medien vorhandenen „offiziellen“ Bilder zu dem jeweiligen Thema reproduziert werden, sondern „inoffizielle“ Bilder entstehen, die aus einer persönlichen Wahrnehmung entspringen. Zusammen wurden anschließend die Bilder ausgewählt, besprochen und durch Texte und andere Materialien ergänzt.
Das Teilen von Geschichten mit einem persönlichen Bezug hat ganz nebenbei tiefe Begegnungen ermöglicht. Wir haben auch zusammen gekocht und anders Zeit miteinander verbracht, so dass die Fotografie und das Projekt eine erste gemeinsame Kommunikationsebene bilden, aber durch das geweckte Interesse aneinander als Menschen weitere entstehen konnten. Das gemeinsame Ziel, eine Ausstellung zu entwickeln, verband uns und machte es notwendig eine Selbstorganisation für den Workshopzeitraum zu entwickeln.
Der Workshop sowie die Abschlussausstellung fanden in der Projektwohnung “krudebude” statt. Diese liegt im Stadtteil Schönefeld, der besonders von demografischem Wandel und von Veränderungen der Sozialstruktur betroffen ist – Schönefeld war von Leerstand, einem hohen Durchschnittsalter der Bewohner_Innen (2013: 53,9), einer hohen Arbeitslosenquote (2013: 11,1 je 100 Erwerbstätige) sowie einem sinkenden Bevölkerungswachstum im Gegensatz zu anderen Stadtteilen Leipzigs geprägt. Interkulturelle Treffpunkte fehlten.
Gefördert vom LUSH Charity Pot