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Hadeel und Mohammed Abuasad

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FRIEDER: Wann bist du hierher gekommen?

MOHAMMED: Ich bin am 1. November 2018 hergekommen und bin jetzt also drei Jahre hier.

FRIEDER: Bist du nach deiner Ankunft in Deutschland direkt in Ausbildung zum Krankenpfleger gegangen?

MOHAMMED: Nein, ich habe in meinem Land 2012 mein Studium abgeschlossen, und danach habe ich da sieben Jahre auf verschiedenen Krankenhausstationen gearbeitet. 2015 habe ich das Arbeitsvisum beantragt, welches ich aber erst im August 2018 bekommen habe. Das gesamte Jahr 2015 habe ich Deutsch gelernt, allerdings habe ich es dann wegen der Wartezeit fast vier Jahre nicht genutzt. Meine Arbeitsvermittlungsagentur hat mir 2018 gesagt, dass sie mir die benötigten Akten schicken würden und ich damit bei der Deutschen Botschaft ein Visum beantragen kann. Innerhalb eines Monats sollte ich mein Deutsch auffrischen, was natürlich in dieser kurzen Zeit unmöglich war, da ich die Sprache so viele Jahre nicht gesprochen hatte. Das erste halbe Jahr in Deutschland habe ich nur “ja, ja” gesagt. Ich habe kein Wort verstanden, aber dann kam es langsam wieder. Schritt für Schritt. Ich brauchte noch Zeit. Nach einem Jahr habe ich mich bei der Helios-Klinik in Borna beworben.

Die deutsche Sprache ist schwierig. Meine Frau versteht Deutsch sehr gut, nur das Sprechen fällt ihr schwer. Meine Kinder gehen seit einem halben Jahr in die Schule und sprechen schon gut. Kinder können fremde Sprachen so viel schneller lernen als Erwachsene.
Wenn man in Deutschland als Pflegefachkraft arbeiten will, muss man erstmal ein Zertifikat machen. Die Arbeitsvermittlungsagentur hat mir gesagt, ich müsse das erste Jahr Anpassungsmaßnahmen machen, mehr die Sprache und über das deutsche System lernen. Ich war nach dreizehn Monaten fertig und habe dann hier im Krankenhaus als Pflegefachkraft angefangen. Ich habe zwei Jahre auf der Allgemeinchirurgie gearbeitet und bin vor acht Monaten auf die Intensivstation gewechselt.

SANDRA: Dann kam Corona…

MOHAMMED: Seit einem Monat ist es wieder schlimm. Davor war es drei, vier Monate ruhiger, aber seitdem ist es wirklich schlimm. Aber es ist unser Beruf. Unsere Aufgabe. Was sein muss, muss sein.

SANDRA: Es ist gut, dass es Menschen gibt, die so viel Kraft haben.

MOHAMMED: Unser Beruf ist in erster Linie Menschlichkeit. Die steht vorne an. Lange vor dem Gehalt.

FRIEDER: Du kommst aus Gaza, oder?

MOHAMMED: Ich komme direkt aus dem Gaza. Vorerst durfte ich meine Familie nicht mit hierher bringen. Ich musste erstmal die Anpassungsmaßnahme fertig machen.

FRIEDER: Was heißt „An­­pas­sungs­­­maß­­nah­me”?

MOHAMMED: Das heißt zuerst ein halbes Jahr Theorie, also medizinische Fachbegriffe in der Schule lernen, und dann noch ein halbes Jahr auf verschiedenen Stationen praktisch arbeiten. Danach muss man eine mündliche Prüfung machen. Erst wenn die bestanden ist, kann man in Deutschland als Pflegefachkraft arbeiten.

Jedes Land ist anders. Bei uns gibt es zum Beispiel keine Geriatrie-Stationen. Auch viele andere Bereiche im Krankenhaus gibt es bei uns nicht. Neurologie war in meinem Land zum Beispiel nicht Teil meiner Ausbildung. Die Ämter hier schauen auf mein Zertifikat, erkennen daraus welches Fachwissen fehlt und daraus ergibt sich, was ich in der Anpassungsmaßnahme noch lernen muss.

FRIEDER: Wann seid ihr nach Deutschland gekommen? Ihr seid nicht zusammen gekommen, oder?

MOHAMMED: Meine Familie ist seit acht Monaten hier in Borna. Ich war dreißig Monate lang allein hier. Wegen Corona war in meinem Land sieben Monate lang die deutsche Botschaft zu. Corona macht überall in der Welt alles kaputt, nicht nur hier in Deutschland. Das war ein bisschen hart, aber jetzt ist alles wieder in Ordnung. Meine Frau lernt hier Deutsch. Sie war in unserem Land drei Jahre lang Lehrerin und will hier auch arbeiten, muss aber erstmal die deutsche Sprache lernen Das will sie auch wirklich, aber derzeit, unter Corona, ist die Volkshochschule wieder geschlossen. Sie konnte nur einen Monat lang den Deutschkurs besuchen, bräuchte wahrscheinlich aber ein Jahr. Das ist nicht einfach, aber wie gesagt, was sein muss, muss sein.

SANDRA: Habt ihr etwas aus Gaza mitgebracht oder habt ihr alles hier neu gekauft?

MOHAMMED: Ich hab alles neu gekauft, meine Frau aber nicht. Sie hat so viele Klamotten mitgebracht. Insgesamt hat sie neun Koffer mitgenommen. Das war eine große Sache mit ihr.

SANDRA: Was hast du vorher über Borna gewusst?

MOHAMMED: Die Theorie meiner Anpassungsmaßnahme habe ich in Leipzig gemacht und habe da ein Jahr gewohnt. Dann habe ich hier in Borna einen unbefristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen. Da habe ich mir gedacht, dass Pendeln nicht geht, wegen der Fahrtzeiten. Am ersten August 2019 bin ich dann nach Borna gezogen. Über die deutsche Kultur und Geschichte habe ich mich vorher schon im Internet informiert, weil ich hier ja Leben wollte.

FRIEDER: Was war dein erster Eindruck von Borna?

MOHAMMED: Ich komme aus einer Großstadt und in meinem Land gibt es ein ganz anderes Arbeitssystem. Im Gaza habe ich nur zwei Tage die Woche gearbeitet und hatte fünf Tage frei. Bei uns durfte ich auch vierundzwanzig Stunden am Stück arbeiten, aber hier ist das gesetzlich verboten. Jetzt muss ich fünf Tage die Woche arbeiten, um dann nur zwei Tage frei zu haben. In meiner Familie sind alle Landwirte. Deswegen habe ich nebenberuflich in der Landwirtschaft gearbeitet und war immer in der Natur. Ich mag es auf dem Dorf lieber als in Kleinstädten. Aber weil meine Kinder in Borna in die Schule gehen und meine Frau hier in der Sprachschule ist, bleiben wir hier wohnen. Hier ist alles so ruhig, das ist der Hammer. Zu den Ämtern, Banken, Geschäften, zum Krankenhaus und zur Schule ist es nicht weit. In fünf Jahren geht es hier bergauf in der Stadt. Alles wird besser.

FRIEDER: Was denkst du, was genau besser wird?

MOHAMMED: Seit zwei Jahren sind in der Stadt nicht mehr so viele Leute, aber ich sehe manchmal neue Gebäude und Geschäfte. Hier im Haus bin ich der einzige Ausländer, oder zumindest der einzige Araber. Meine Nachbarn sind alle ganz nett, wir sind im Kontakt und quatschen jeden Tag. Meiner Frau habe ich gesagt, dass wir hier in Deutschland sind, dass wir in drei Jahren die deutsche Staatsangehörigkeit bekommen und deswegen auch wie Deutsche leben müssen. Auf der anderen Seite gibt es schlechte und gute Kulturen, sowohl in meinem Land als auch in Deutschland. Wir müssen nur das Gute von beidem nehmen und das Schlechte weglassen.

Die Kollegen auf meiner Station sagen, ich sei ganz anders als die anderen Ausländer auf der Station. Wir sind jetzt acht oder neun Migranten da. Aus Russland, Algerien und Ägypten. Wir haben in Borna mindestens fünfzig ausländische Pflegekräfte. Meine Kollegen sagen, ich spreche einfach mit ihnen und sei ganz offen. Wir sind alle Menschen.
Auf der anderen Seite ist es in Palästina anders, als in allen anderen arabischen Ländern, weil es bei uns alle Religionen gibt. Wir haben mindestens dreißig Prozent christliche Palästinenser. Wir leben alle zusammen auf einer Straße. Wir machen gemeinsam Feuer und essen zusammen. Wir laden uns gegenseitig ein. Vielleicht ist das der Grund.

FRIEDER: Wie geht es dir in Borna? Bist du zufrieden hier?

MOHAMMED: In Borna haben wir alles. Für meine Kinder ist die Schule gut. Die Grundschule hier ist die Beste. Mein Großer geht in die Oberschule oder Mittelschule hier, aber die gefällt mir nicht so gut. Bei uns ist auch nicht alles perfekt. Man kann im Leben nicht alles haben. Und Bürokratie ist wichtig, aber nicht überall.

FRIEDER: Dass ihr hierher kommen konntet, war auch sehr viel Bürokratie, oder?

MOHAMMED: Ja, in meinem Land habe ich so soviel Papierkram aus Deutschland ausfüllen müssen. Ich habe bestimmt fünfzig bis siebzig Dokumente rüber geschickt, damit die Arbeitsvermittlungsagentur alle Unterlagen fertig machen konnte. Ich habe dann bei der Deutschen Botschaft in meinem Land das Visum beantragt und sie haben alles zur Ausländerbehörde nach Deutschland geschickt. Bis zum Umzug und bis ich das Visum hatte, hat es etwa ein halbes Jahr gedauert.

FRIEDER: Wie sieht dein Alltag hier in Borna aus?

MOHAMMED: Meine Arbeit nimmt die meiste Zeit ein. Ich habe bloß zwei Tage frei pro Woche und manchmal muss ich auch am Wochenende arbeiten. Wir waren zu Silvester in Hamburg und haben Urlaub gemacht und im Oktober 2020 waren wir in Frankfurt. Während Corona wollte ich nicht ins Ausland fahren. Meine Frau war einen Monat im Sprachkurs, seit zwei Monaten kann sie wegen Corona nicht mehr gehen. Die Kinder gehen jeden Tag in die Schule. Wenn ich am Wochenende frei habe, fahren wir manchmal nach Leipzig zum Einkaufen, machen uns einen schönen Tag oder gehen zum Spielplatz.

FRIEDER: Wenn du arbeiten gehst, wie ist es da? Wann stehst du auf?

MOHAMMED: Ich arbeite im Schichtdienst. Manchmal muss ich nachts arbeiten, dann wieder Mittelschicht, oder Frühschicht. Also wenn ich Nachtschicht habe, dann kann ich nichts anders machen, weil ich dann den ganzen Tag schlafe. Um halb sieben in der Früh habe ich dann Feierabend und muss mindestens acht Stunden schlafen. Wenn ich wach bin, bespreche ich mit meinen Kindern was in der Schule passiert ist oder helfe ihnen mit neuen Wörtern und der Sprache. Wenn sie einen Termin beim Arzt haben, muss ich auch mitgehen. Sie brauchen auch meine Betreuung. Manchmal muss ich auch einkaufen gehen. Es ist nicht einfach für mich, deswegen hätte ich gerne, dass meine Frau schnell Deutsch lernt, dann kann sie mir ein paar Aufgaben abnehmen.

FRIEDER: Gibt es einen Ort, den du vermisst?

MOHAMMED: Das erste halbe Jahr in Deutschland habe ich meine Familie sehr vermisst, nur ich habe zunächst ein Visum bekommen. Gottseidank, gibt es das Internet. Ich kann bei Skype jeden Tag mit meiner Mutter telefonieren.

FRIEDER: Du kannst sie auch nicht besuchen fahren?

MOHAMMED: Ich könnte zwar in Gaza einreisen, aber dann wieder raus zu kommen ist schwierig. Vielleicht geht mein Aufenthaltsstatus hier dann verloren. Manchmal muss man auch die scheiß Politiker im Gaza bezahlen um durch zu fahren. Entschuldigung, dass ich das so sage, aber es ist so.

FRIEDER: Was schlecht ist, muss man auch so benennen.

MOHAMMED: Das denke ich auch. Es ist seit 74 Jahren so. Naja, ich könnte meine Eltern auch irgendwo in Ägypten oder Saudi-Arabien treffen, aber ich warte lieber noch zwei, maximal drei Jahre, bis ich die deutsche Staatsangehörigkeit beantragen kann. Dann kann ich dort einfacher Urlaub machen.

FRIEDER: Erlebst du Diskriminierung oder Rassismus?

MOHAMMED: Ich war einmal in so einer Situation, aber es ist mir egal. Ich kenne mich und ich weiß, warum ich hier bin. Wir Palästinenser sind seit 1948 nur halbe Menschen, Flüchtlinge in der ganzen Welt. Deswegen kenne ich vielleicht das Thema mehr als ihr. Bis heute werden die Leute in Palästina selbst Flüchtlinge genannt. Ich bin Palästinenser und die nennen mich Flüchtling, in meiner eigenen Heimat. Das kann ich nicht verstehen. Für mich sind wir alle Menschen. Wir sind seit 75 Jahren in Palästina, bis heute nennen die uns Flüchtlinge. Deswegen kann ich Diskriminierung mehr als ihr, verstehen. Es macht mir nichts aus.
Einmal, hier am Aldi, hat mich jemand beschimpft. Er hat mich einen “Scheiß Ausländer” genannt und gesagt, ich solle zurück in mein Land. Er weiß nicht, dass ich zum Arbeiten und Helfen hergekommen bin. Ich bin Pfleger. Es macht mir nichts, ich kenne mich. Meine Kollegen, Nachbarn und Bekannten in meinem Umfeld sind alle lieb zu mir und ganz freundlich. Die Meinung fremder Leute macht mir nichts aus, weil sie mich nicht kennen. Für die bin ich ein Flüchtling, weil ich eine andere Hautfarbe habe und nicht-deutsch aussehe. Viele ältere Leute denken so. Ich würde sagen, dass es nicht nur in Deutschland Rassismus gibt, sondern überall. In arabischen Ländern gibt es mehr Rassismus als in Deutschland. In Saudi-Arabien, oder überall gibt es Rassismus, nicht nur in Deutschland. In Borna gibt es siebzig bis achtzig Männer und Frauen aus verschiedenen Ländern, die im Krankenhaus arbeiten. Sie kommen aus Ägypten, dem Sudan, Algerien, Indien, Pakistan, Indonesien, Russland oder Ungarn. Wir wohnen und arbeiten alle hier.

FRIEDER: Habt ihr Kontakt untereinander?

MOHAMMED: Ja, aber die meisten sind Singles. Familien haben wir nicht so viele, maximal fünf oder sechs. Die anderen sind alle Singles. Wir haben alle Kontakt miteinander, machen zusammen Feuer und laden uns gegenseitig zum Essen ein, aber wegen Corona geht das jetzt gerade nicht.

FRIEDER: Und du, Hadeel, hast du in Borna oder in Deutschland rassistische Situationen erlebt?

HADEEL: Ja, einmal. Ich stand in Borna an der Ampel auf dem Fußweg. Da hat eine alte Frau mich angeschrien. Ich habe sie nicht verstanden, aber sie hat mich viel und laut angeschrien. Wahrscheinlich wegen dem Kopftuch.
In Hamburg und Frankfurt habe ich viele Frauen gesehen, die mit Kopftuch arbeiten. Aber hier in Borna habe ich das nicht gesehen. Deswegen habe ich Angst, hier keine Arbeit zu finden. Ich bin Lehrerin, mein Beruf ist ganz wichtig und eigentlich werden in Deutschland dringend Lehrerinnen gesucht.

FRIEDER: Das ist ein großes Problem auf jeden Fall. In Hamburg und Frankfurt sind sie da deutlich weiter als wir hier in Sachsen.

MOHAMMED: Ich weiß schon was du meinst, das habe ich auch schon gelesen. Aber das macht uns nichts aus. Wir bleiben hier in Sachsen. Ja, ich habe viele Freunde in Westdeutschland und sie sagen mir immer: „Mohammed, du bist in Sachsen, das geht ja nicht. Komm zu uns nach Westdeutschland!“ Und ich sage ihnen dann immer: „Niemals. Ich kam als erstes nach Sachsen und hier bleibe ich.“ Ich finde, in Sachsen sind die Leute zu 75, 80 oder 85 Prozent liebe Leute. Es gibt 10 oder 15 Prozent, das sind die Schwierigen. Ich denke mal, so ist das überall. Aber ich will hier bleiben. Hadeel will nach Leipzig umziehen.

HADEEL: Nein, nicht nach Leipzig, nach Westdeutschland.

MOHAMMED: Siehst du. Aber ich will das nicht.

HADEEL: Es gibt dort viele Araber. Und es gibt bessere Arbeitsmöglichkeiten und mehr Gelegenheiten für die Kinder, mit anderen in Kontakt zu kommen. Sogar die Deutschen sind dort offener als hier.

MOHAMMED: Das ist ihre Meinung, aber ich mag es hier. Ich arbeite jeden Tag mit Deutschen zusammen und sie sind ganz lieb zu mir. Meine Frau hat bis jetzt keine Kollegen oder Freunde, keine Menschen die sie kontaktieren kann. Wie gesagt, die Schule ist wegen Corona seit zwei Monaten geschlossen. Und dabei hatte sie sich so gefreut als sie zum ersten Mal zum Sprachkurs ging. Aber jetzt…

FRIEDER: Und was wünschst du dir für dein Leben hier?

HADEEL: Ich wünsche mir einen Job zu finden. Und dass du, Mohammed, angenehme Arbeitsbedingungen hast. Und dass unsere Kinder gute Bildung bekommen. Das ist normal, dass die Leute sich für ihre Kinder eine gute Ausbildung in Deutschland wünschen.

FRIEDER: Wenn du Dinge ändern könntest in Borna, was wäre das?

MOHAMMED: Ich würde mich gerne mit allen Menschen aus Borna zusammen treffen, für richtige Integration. Nicht alle, aber die meisten Leute hier haben Angst vor den Ausländern, aber manchmal haben die Ausländer auch Angst vor den Deutschen. Sandra hat hier einen kleinen Verein, der bei der Integration unterstützen möchte. Ich war nie dort, aber meine Frau war dreimal bei ihr. Jetzt unter Corona hat sich aber auch das verändert.
Und wir haben in Borna zwei Grundschulen, aber bloß eine Oberschule. Ich denke, Borna braucht noch eine Mittelschule, es sind einfach zu viele Schüler auf der einen Schule. Es gibt hier noch ein Gymnasium, das hatte ich vergessen.

FRIEDER: Was gefällt dir an Borna?

MOHAMMED: Es ist eine ruhige Stadt. Es ist der Hammer hier. Viele Menschen sind alt und es gibt nicht so viele junge Leute. Ich bin bald vierzig. Mein Leben ist jetzt für meine Kinder. Die lernen hier in Deutschland so viel besser als irgendwo anders auf dieser Welt. Ich wünsche mir, dass alle meine Kinder später studieren. Vielleicht werden sie das nicht, aber das wäre mein Wunsch. Ich habe Angst davor, dass meine Kinder schlechte Freunde haben. Das wäre für mich ein großes Problem. In Borna habe ich mehr Kontrolle drüber, wo sie sind und was sie machen. In einer großen Stadt hätte ich das nicht. Ich sage: Leben ist Leben, egal wo, aber meine Frau und Kinder wollen lieber woanders hin. Ich aber nicht. Ich wünsche mir in Borna, oder in der Leipziger Umgebung ein Haus zu haben, dann würde ich hier bleiben. Ich habe noch eine Wohnung in meinem Land. Meine Frau sagt, dass wir ein Haus in unserem Land bauen sollten, aber ich will, dass wir hier eins bauen. Meine Kinder gehen vielleicht irgendwann zurück, in unsere Wohnung in Palästina. Ich würde gerne hier ein Haus bauen, aber wenn ich alleine arbeiten gehe, dann reicht das Geld nicht. Die erste Sache wäre, dass meine Frau Deutsch sprechen kann und eine Arbeit findet. Die Kinder gehen schon zur Schule. Meine Frau muss Zuhause bleiben und da wird ihr ganz langweilig. Sie sagt mir jeden Tag, dass sie etwas machen will, weiter Deutsch lernen will. Ich kann da leider nichts ändern. Ich kann leider die Schule nicht wieder aufmachen.

FRIEDER: Da kann man nur hoffen, dass sich alle impfen lassen.

MOHAMMED: Das haben meine Frau und ich schon gemacht.

FRIEDER: Es gibt hier ja ganz viele, die demonstrieren gehen und sich nicht impfen lassen. Wenn die sich impfen lassen würden, wäre es vielleicht besser mit Corona. Ich hoffe sehr, dass die Schule bald wieder aufmacht.

MOHAMMED: Vielen Dank. Es gibt hier viele Leute, die sich nicht impfen lassen wollen. Das kann ich nicht verstehen. Die sehen nicht, dass hier, auf der Intensivstation, Menschen unter unseren Augen sterben. Das geht so wirklich nicht.
Ein paar von ihnen sind ist gegen die Politiker. Die wollen sich deswegen nicht impfen lassen. Die Anderen haben Angst vor der Impfung, vor den Nebenwirkungen oder davor, dass sie davon sterben. Das sind die zwei unterschiedlichen Seiten. Nebenwirkungen von der Impfung gibt es nicht, maximal bei fünf Prozent der Fälle. Aber auf der Intensivstation haben wir seit einer Woche wieder jeden zwischen siebzig- bis achtzigtausend Coronafälle. Und Menschen, die die ganze Zeit schreien, Corona gibt es nicht, die kann ich deswegen nicht verstehen. Die denken Politiker sind schlecht und das denken sie immer. Die sind immer dagegen. Mit Corona oder ohne. Ich kann beide Seiten nicht verstehen.

Das Interview führten wir am 17. Januar 2022.

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