AHMED: Ich betrachte mich als einen Zeugen, als eine Person, die diese Erfahrung gelebt hat. Ich habe so viele Dinge gesehen. Was hier in Deutschland oder in anderen Ländern Europas vor sich geht, wird allgemein als “Rassismus” bezeichnet. Ich glaube an diesen Begriff nicht ganz so, wie man ihn zu vermarkten versucht. Meiner Meinung nach ist vielleicht ein Teil dessen, was geschieht, Rassismus, aber der andere Teil, der große Teil, ist kein Rassismus. Was ist es dann? Nun, es ist etwas, das ich Reaktion nenne.
Leider machen einige Flüchtlinge, einige Neuankömmlinge in Deutschland oder anderen Ländern, sagen wir mal, einige schlechte Dinge. Zum Beispiel mit dem Bus fahren, ohne Fahrkarten zu kaufen. Und in Suhl zum Beispiel, im Restaurant oder in der Küche – wenn du es so nennen willst; der Ort, an dem wir im Lager essen gehen – sah ich viele Leute, die versuchen, zu betrügen. Zum Beispiel ist es verboten, Essen aus der Küche zu holen. Sie versuchen also, das Essen in ihren Taschen zu verstecken und versuchen, es mit nach draußen zu nehmen.
Wir hatten auch ein Erlebnis mit einer Köchin, sie war eine alte Frau. Sie hasste die Flüchtlinge wirklich. Es war sehr leicht, das zu bemerken. Aber ich sage noch einmal, das ist kein Hass, das ist nur eine Reaktion. Ihre Aufgabe ist es, dir einen Teller zu geben. Dann, wenn du mehr willst, musst du deinen gebrauchten Teller mitbringen und kannst ein bisschen mehr bekommen. Manche Leute versuchen dabei auch zu betrügen. Sie bringen nicht den gleichen Teller zurück, mit dem sie gegessen haben. Sie versuchen, von hinten zu kommen und einen neuen, sauberen Teller zu bekommen. Warum machen sie das? Wenn du zum ersten Mal isst, geben sie dir viel Essen und Fleisch und dieses und jenes. Aber wenn du ein bisschen mehr essen willst, geben sie dir weniger. Also versuchen die Leute wieder zu betrügen.
Also, was haben wir hier? Hier haben wir die Flüchtlinge, die viel gelitten haben. Es gab Krieg, Bomben, Knappheit, kein Essen, kein Geld, keine Arbeit, keine Sicherheit. Also haben sie sich natürlich verändert. Am Anfang waren sie nicht so, das ist normal. Als Flüchtling, als Mensch, der unter wirklich schwierigen Situationen gelitten hat, wo du kein Essen hast, vielleicht hast du kein Geld, vielleicht musstest du dein Leben retten, also all das hat so viele Traumata verursacht. Was passiert also mit einem Trauma? Wenn ein Mensch ein Trauma hat, fängt er an, sich je nach Art des Traumas seltsam zu verhalten. Ein Flüchtling ist nun davon überzeugt, dass er so viel Nahrung wie möglich retten muss, um sein Leben zu retten. Das ist sein Trauma.
Jetzt ist er in Deutschland und er braucht das nicht mehr zu tun, denn hier hat er doch eine Menge Essen, oder? Aber das Unterbewusstsein glaubt immer noch, dass es diesen Menschen schützen und so viel Nahrung wie möglich anhäufen muss.
Wenn du ein Trauma durchgemacht hast, bleibt dein Unterbewusstsein dort stecken und kann nie wieder glauben, dass diese Situation vorbei ist. Jetzt bist du an einem sicheren Ort, an einem Ort, der dir viel Geld, Nahrung und medizinische Versorgung bietet, und du brauchst keine Angst mehr zu haben. Sie leben in Deutschland, aber das Unterbewusstsein versucht immer noch, ihr Leben auf dieselbe Weise zu retten, als sie in ihren Konfliktländern waren. Das ist meiner Meinung nach das Problem.
Und diese Köchin ist eine deutsche Person, also hat sie ein normales, stabiles und sicheres Leben geführt. Sie kann also nicht verstehen, was mit diesen Menschen, den Flüchtlingen, die ich meine, vor sich geht. Die Deutschen im Lager haben diese schwierigen Situationen nicht durchgemacht. Sie verstehen also nicht, warum diese Leute sich so verhalten. Und sie sehen die Menschen, die Neuankömmlinge in Deutschland wie barbarische Menschen. Es tut mir leid, das zu sagen, aber sie sehen sie wie einige Verrückte und sie denken vielleicht: “Was stimmt nicht mit diesen Flüchtlingen? Und ich habe gesehen, wie die Sicherheitsleute im Lager Suhl richtig laut geschrien und gebrüllt haben! Weil sie die Situation kontrollieren mussten. Ich verstehe dieses Verhalten auch.
Wir haben also traumatisierte Menschen auf der Seite der Flüchtlinge und auf der Seite der Sicherheitsleute von Suhl. Die deutschen Leute lebten meist ein stabiles Leben, ein Leben im Überfluss, während die Flüchtlinge ein Jahr, zwei Jahre oder vielleicht fünf Jahre litten.
Und beide Seiten haben Mühe, einander zu verstehen. Es gibt eine Kluft. Das ist das, was man meiner Meinung nach Rassismus nennt. Der Rassismus ist eigentlich die Kluft, die wir zwischen den Flüchtlingen und den deutschen Menschen haben. Und die gleiche Situation passiert auch in den anderen europäischen Ländern, in den Dublin-Ländern.
RAFAEL: Aber hast du das Gefühl, dass dieses Camp versucht, es zu einem sicheren Ort zu machen, wo sie sich sicher fühlen können? Konntest du dich dort sicher fühlen?
AHMED: Nun, ja, ich habe mich wirklich sicher gefühlt. Denn es war offensichtlich, dass einem in Suhl und in Deutschland im Allgemeinen niemand etwas anhaben kann.
Ja, es gibt einige Dinge, die nicht so passieren sollten, wie sie passiert sind. Da gibt es zum Beispiel einen Schießplatz, oder einen Truppenübungsplatz ganz in der Nähe des Flüchtlingslagers. Man hört also den ganzen Tag Gewehre und sie sind wirklich laut. Ich denke, es ist besser, Feuer nicht mit Benzin zu vermischen. Die Leute fliehen aus sehr gefährlichen Gebieten, sie haben lange mit diesen Geräuschen gelebt. Dann ist es keine wirklich gute Idee, sie wieder mit diesen Geräuschen leben zu lassen. Denn das ist ein Trigger, der die Erinnerungen in ihren Köpfen und die schlechten Handlungen wachruft… die Situationen, die sie verlassen haben.
Aber ich bin auch der Meinung; das Leben ist nicht perfekt. Aber immerhin hat Deutschland versucht, es so gut wie möglich zu machen. Ich verstehe, dass die Gebäude dort schon vor langer Zeit standen. Leider liegt also das Lager von Suhl ganz in der Nähe dieses Truppenübungsplatzes. Also, was ist nun die Alternative? Den Truppenübungsplatz oder das Lager Suhl verlegen? Ich glaube, man kann keins von ihnen verlegen. Ich weiß auch nicht. Aus meiner Sicht ist es wirklich eine komplizierte Situation für beide Seiten.
RAFAEL: Für die Individuen.
AHMED: Für die Individuen, für die Flüchtlinge und die deutsche Regierung; denn ehrlich gesagt waren wir viele Menschen in Suhl. Fast 600 Menschen. Also wo würdest du sie unterbringen, wenn nicht in Suhl? Aber ich weiß nicht, ob sie den Truppenübungsplatz verlegen können.
Und wie ich dir gesagt habe, die Polizei kommt jeden Tag. Einige unverantwortliche Leute betrinken sich, prügeln sich, lösen Feueralarm aus… es ist wirklich laut. Sogar um 2 Uhr morgens. Du kannst dir die Situation vorstellen… und die armen Sicherheitsleute sollen rennen und herausfinden, was zum Teufel los ist!
RAFAEL: Und jeder wird gestresst.
AHMED: Also leiden beide Parteien. Wegen einigen Leuten. Aber der Schaden ist riesig.
RAFAEL: Es ist auch eine wirklich große Struktur. Ich frage mich, ob es überhaupt ein Lager geben muss, wo jeder hingehen muss.
AHMED: Es ist ein riesiger Ort, sehr, sehr groß. Also natürlich, da es ein sehr großer Ort ist, wirst du so viele Leute haben und dann so viele Zwischenfälle. Manchmal passieren wirklich gefährliche Kämpfe. Ich war Zeuge eines Kampfes, bei dem fünf Sicherheitsbeamten die Pulsadern aufgeschnitten wurden. Wegen einer betrunkenen Person, die eine große Flasche Whisky zerbrach und anfing, Leute zu bedrohen. Aber was ist passiert? Die Polizei kam fast zwei Stunden später. Es war schockierend. Ich war neu in Suhl. Ich dachte, ich bin in Deutschland, alles ist okay. Wenn also etwas schief geht, würde die Polizei in zehn Minuten da sein. Aber die Sicherheitsleute kamen fast eine halbe Stunde später. Und die Polizisten kamen zwei Stunden später! Es war verrückt. Es dauerte solange, bis der Kampf fast von alleine aufhörte. Ich begann zu fragen: “Es ist seltsam, dass die Polizei zwei Stunden später kommt.“ Da sagten die Leute: “Das liegt daran, dass es hier wirklich normal ist, dass es hier Kämpfe gibt, es gibt fast jeden Tag Kämpfe.“
RAFAEL: Aber es ist eigentlich immer noch ernst.
AHMED: Ja, die Leute könnten wirklich ihr Leben verlieren. Aber was noch schlimmer ist, ist, dass die Polizei die Person, die den Streit angefangen hat, ins Gefängnis gebracht hat. Und am nächsten Tag war er wieder zurück und wieder bei uns. Als ob nichts passiert wäre. Ich denke, das ist verrückt. Wenn eine Strafverfolgungsbehörde wie die Polizei bei solchen Typen von Menschen nicht so entschieden ist, dann gefährden sie das Leben der anderen. Denn, seien wir mal ehrlich: Er hätte jedem Wachmann die Arterien und Venen durchschneiden und ihn wirklich sofort umbringen können. Warum geschieht das? Ich weiß es nicht. Wie um alles in der Welt ist es möglich, ihn ins Gefängnis zu stecken und am nächsten Tag wieder herauszuholen? Es macht einfach keinen Sinn. Das ist das Problem, was dort in Suhl vor sich geht. Ein sehr großer Ort, und so viele Geschichten.
Ich hatte noch ein anderes Problem im Lager Suhl: Ich habe bei den Sozialarbeitern als Dolmetscher gearbeitet. Ich spreche etwas Englisch, sie sprechen auch Englisch. Also dolmetschte ich für die Neuankömmlinge, für die Flüchtlinge. Vom Englischen ins Arabische und umgekehrt. Dort habe ich die schlimmsten Erfahrungen gemacht, die ich je gemacht habe. Ich glaube, ich habe dort wirklich Ablehnung erfahren. Sie hassten den Fakt, dass ich Englisch spreche. Obwohl sie diejenigen waren, die mich um Hilfe bitten. Es ist verrückt, denn wenn du mich um Hilfe bittest, kannst du mich nicht für die Hilfe hassen, die ich dir gebe.
Die Sicherheitsleute versuchten, sich selbst etwas vorzumachen, indem sie so taten, als ob sie nicht wüssten, dass ich mit den Sozialarbeitern zusammenarbeite. Es ist offensichtlich, jeden Tag gehe ich dorthin und sie sehen mich beim Übersetzen und Dolmetschen. Also, natürlich kennen sie mich, aber sie taten so, als ob sie mich nicht kennen, als ob ich nur ein weiterer Flüchtling wäre. Wenn du nur ein Flüchtling bist, darfst du das Büro des Sozialarbeiters nicht ohne Erlaubnis oder einen Termin oder so etwas betreten. Das ist normal; sie müssen die Tür schließen. Aber sie wussten, dass ich dort arbeite und trotzdem haben sie die Tür sehr schlimm zugemacht, direkt in mein Gesicht. Ich weiß nicht warum, aber ich dachte, weil ich meistens Englisch gesprochen habe. Wir hatten andere Leute, die dort arbeiteten, die etwas Deutsch sprachen, weil sie eine Zeit lang in Österreich gelebt hatten. Ihre Behandlung war wirklich anders. Sogar nicht nur durch die Sicherheitsleute, sondern auch durch die Sozialarbeiter dort. Es war wirklich seltsam: Sie sprechen mit mir auf Deutsch. Und sie wissen, dass ich wirklich neu in Deutschland bin, ich war einen Monat lang dort. Und sie wissen, dass ich Englisch spreche. Also, ich sage nichts, ich höre weiter zu und wenn sie fertig sind, sage ich: “Könnten Sie das bitte auf Englisch wiederholen?“ Und sie wiederholen es auf Englisch. Und sie machen das immer wieder. Ich weiß nicht, ob sie es vergessen oder nur… ich weiß es nicht. Aber ich hatte wirklich das Gefühl, dass ich mir auf diese Weise Feinde erschaffe, weil ich fühlte, dass der Hass, die schlechte Behandlung immer mehr wurde. Also beschloss ich, aufzuhören zu helfen oder diese Arbeit zu machen. Weil ich will dich nicht dazu bringen, mich zu hassen, aus welchem Grund auch immer. Das ist natürlich nicht mein Ziel. Das macht keinen Sinn. Also sagte ich, okay, ich werde nicht mehr kommen.
Aber ich verstehe wirklich, dass beide Seiten, die Flüchtlinge und die deutschen Bürger, leider in einem Zustand von Aktion und Reaktion leben.
RAFAEL: Ich meine, ich glaube, die Definition von Rassismus ist auch nicht wirklich, dass man jemanden aktiv hasst. Es ist eher eine strukturelle Sache.
AHMED: Genau, genau.
RAFAEL: Schon die Tatsache, dass man sich nicht als gleichberechtigte Menschen sieht.
AHMED: Ich glaube, ich verstehe die Situation ein bisschen mehr. Aus einem einfachen Grund: Ich habe studiert, was Traumata sind und wie man sie heilen kann. Und ich kann dabei wirklich helfen. Es ist eine sehr einzigartige Methode, sie ist einfach. Du musst nicht viele Sitzungen machen und vielleicht mit dem Patienten für viele Stunden und Jahre sprechen. Es gibt eine Sitzung, oder maximal zwei Sitzungen. Es ist eine sehr konkrete Methode, die sieben Schritte hat, bei der man leicht zurückgehen und Zugang zum Unterbewusstsein bekommen kann. Du tust nichts Verrücktes. Die Person ist wirklich bei Bewusstsein, es geht ihr gut und sie ist entspannt. Die Hauptidee bei der Heilung von Trauma, welcher Art auch immer, ist es, in der Zeit zurückzugehen und das Problem, das passiert ist, zu beheben. Das Problem des Unterbewusstseins ist, dass es, wenn es durch schwierige Lebenssituationen oder irgendeine Art von schweren Problemen geht, davon überzeugt wird, dass es sein ganzes Leben lang so gelebt hat, und dass es für den Rest seines Lebens so weiterleben wird.
Diese Methode funktioniert also so, dass man in der Zeit zurückgeht, bis das Unterbewusstsein davon überzeugt ist: “Hey, du hattest vorher ein wirklich schönes Leben und hast dich nicht so verhalten, weil du überhaupt keine Probleme hattest.“ Dann klickt es plötzlich: “Ha, das ist wahr.” Wow, und dann löst du dieses Problem. Die Essenz, der Kern ist, dass du das Unterbewusstsein das erkennen lässt.
Nehmen wir zum Beispiel ein Kind, zwei Jahre alt, dass in einen Fahrstuhl steigt, dann hält er plötzlich an. Das ist wirklich schockierend für das Kind. Von da an wird es sich wahrscheinlich weigern, wieder in den Aufzug zu steigen, und Panikattacken bekommen. Meine Arbeit besteht also darin, in der Zeit zurückzugehen und diese Blockade, die mit dem Unterbewusstsein passiert ist, aufzulösen. Und es zu überzeugen: “Vor diesem Unfall hattest du ein wirklich schönes Leben”. Und das ist einfach das, worum es geht. Deshalb braucht es nicht Stunden und Monate und hunderte von Sitzungen. Es ist eine sehr konkrete Methode mit ihren eigenen Schritten. Manchmal sperrt sich der Patient, das nennt man den Widerstand. Er zeigt Widerstand, unbeabsichtigt. Also haben wir unsere eigene Methode, um diesen Widerstand zu lösen. Ein anderes Mal erinnert sich der Patient selbst nicht daran, was ihm das Trauma, das er hat, verursacht hat. Also haben wir unsere eigenen Methoden, um ihn dazu zu bringen, in seine Erinnerungen zurückzugehen und sich an Dinge zu erinnern, von denen er niemals glauben konnte, dass er fähig ist, sich an sie zu erinnern. Es ist wirklich einfach und leicht. Es ist tatsächlich lebensverändernd.
Also, da wir gerade darüber sprechen, biete ich meine Hilfe an, als Freiwilliger. Wenn du irgendwelche Projekte in der Zukunft hast, kann ich dir dabei helfen. Traumata entstehen, wenn man durch den Krieg gegangen ist, aber auch bei Menschen, die Angst haben, in den Aufzug zu steigen. Personen, die irgendeine Art von übermäßiger Angst haben… Angst vor Tieren, Angst vor der Ehe, weil sie schlechte Erfahrungen gemacht haben.
Deshalb denke ich, dass ich eine andere Perspektive auf den so genannten “Rassismus” habe. Wenn du zum Beispiel ein Deutscher bist, der ein wirklich stabiles Leben führt, dann kommen plötzlich neue Leute in dein Land… du hast keine Ahnung, wer sie sind. Eine wirklich andere Kultur, eine andere Sprache und dann hört man in den Nachrichten, dass jemand von diesen syrischen Leuten, irakischen Menschen, Afghanen, wer auch immer, jemanden getötet oder vergewaltigt oder etwas Schlimmes getan hat. Du als normaler Mensch; als ein Mensch, der ein stabiles Leben hat, du würdest nicht erwarten, dass so etwas von einem anderen deutschen Menschen passiert. Auch wenn es in buchstäblich jedem Land passiert. Aber es hat trotzdem eine größere Wirkung, wenn ein Neuankömmling es tut. Dann fängst du plötzlich an, so viele Nachrichten dieser Art zu hören, so dass du dein eigenes Trauma durchmachst und du dich so fühlst: “Oh, ich will mich selbst davon fernhalten”. Stimmt’s? Du fängst an, andere Menschen abzulehnen. Das passiert also auch. Also, jetzt haben wir die Flüchtlinge mit ihren eigenen Traumata und die Deutschen, die ihre Traumata durch einige schlechte Handlungen neu bekommen haben; einige schlechte Dinge, die manche Flüchtlinge tun. Also machen beide Parteien das durch.
RAFAEL: Aber denkst du, dass sie Traumata bekommen, wenn sie die Nachrichten lesen?
AHMED: Nicht durch das Lesen der Nachrichten, sondern dadurch, dass sie sich alles auf Video ansehen. Ein Flüchtling ersticht jemanden, ein Flüchtling hat dies getan, ein Flüchtling hat das getan. Also wirst du natürlich Angst davor haben, mit einem Flüchtling zu interagieren und du wirst ihn hassen. Nicht sie hassen, aber du denkst so: “Bleib weg von mir, ich will meine Sicherheit”. Nicht wahr? Aber du verstehst nicht, dass er nur einer von Tausenden ist. Denn das Problem ist, dass solche schlechten Handlungen wirklich viral gehen. Eine Person macht eine Sache und dann weiß ganz Deutschland das und denkt so: “Oh mein Gott, Flüchtlinge! Schau mal, was sie machen!“ Ich habe sogar ein spanisches Video gesehen, in dem ein afrikanischer Flüchtling in Spanien in eine Kirche ging und anfing, sich mit dem Priester anzulegen. Er fing an, ihn zu schubsen und es wurde mit der Kamera aufgenommen. Jemand hat das Video bekommen und angefangen, es auf Whatsapp zu verbreiten und dazu gesagt: “Das sind die Flüchtlinge, die wir in unserem Land aufnehmen.“ Später sagten sie in den Nachrichten, dass er geisteskrank sei. Aber es war zu spät, denn jetzt hat fast jeder spanische Bürger das Video gesehen und denkt: “Ja, das sind die Flüchtlinge.” Obwohl er nur einer ist und eine Geisteskrankheit hat. Das lässt nun auch die Spanier und alle anderen Leute sagen: “Oh mein Gott, wir hassen Flüchtlinge, wir wollen keine Flüchtlinge”. Was wir also tun können, ist, der Öffentlichkeit verständlich zu machen, dass eine Person nicht jeden anderen Flüchtling da draußen repräsentiert, okay? Das ist die Kluft, die wir haben.
RAFAEL: Aber ich glaube, es hat nicht nur mit Videos von Flüchtlingen angefangen. Ich meine dieses Vorurteil, das die Leute haben, ist auch viel älter. Es gab diese kolonialen Aktivitäten, wo man versucht hat, dieses Bild von unzivilisierten Menschen zu schaffen. Oder dass sie nicht einmal Menschen waren, sondern Tiere. Oder es gab diese Geschichten von, ich weiß nicht, den Türken, die versuchten, Europa zu erobern.
AHMED: Also sagen wir, das ist passiert und das hat Konsequenzen. Aber ich glaube, die stärkste Auswirkung hat das, was von Seiten der Flüchtlinge geschieht – der bösen, nicht aller. Und von der Seite der Einheimischen, die versuchen, das schlechte Image einiger böser Flüchtlinge zu verbreiten, und versuchen zu verallgemeinern, dass das „die Flüchtlinge“ sind. Nein, es ist nur einer! Und wieder die Traumata, die beide Seiten haben. Es ist, als ob jede Seite der anderen ein Trauma verursacht. Ich glaube, dass wir das gerade durchmachen. Flüchtlinge verursachen Traumata bei den einheimischen Menschen. Einheimische Menschen reagieren manchmal stark und verursachen Traumata bei Neuankömmlingen. Flüchtlinge sind in dieser Spirale, weißt du.
RAFAEL: Ich denke, das ist eine interessante Art, darüber zu denken. Aber wahrscheinlich sind es dann, wenn man von den Traumata der Deutschen oder “Einheimischen” spricht, vielleicht auch andere Sachen, die von ihren Familien kommen oder sogar Sachen aus den Kriegen davor, die traumatisch waren und getriggert werden.
AHMED: Vielleicht, ich weiß es nicht. Weil ich kein klares Bild davon habe, was vorher in Deutschland passiert ist.
RAFAEL: Ja, das musst du auch nicht.
AHMED: Aber die Sache ist die, dass unser Hauptaugenmerk auf der Ablehnung liegt, die Neuankömmlinge manchmal von deutscher Seite erfahren. Aber ehrlich gesagt, aus meiner persönlichen Erfahrung heraus, habe ich wirklich eine sehr gute Zeit hier in Deutschland. Warum ich das sage? Ich habe dir gesagt, dass ich dreieinhalb Jahre in Spanien gelebt habe. Ich habe wirklich eine Menge Ablehnung in Spanien erfahren. Und warum? Wieder Traumata. Spanien ist wirklich nah an Marokko, daher kommen viele Marokkaner jeden Tag mit Booten nach Spanien. Und in Spanien kannst du ohne Aufenthaltsgenehmigung dort sein, niemand wird etwas sagen, solange du keinen Ärger machst. Also gibt es dort so viele Marokkaner. Wenn du also eine dunkle Hautfarbe hast wie ich, werden dich die Leute als Marokkaner oder Algerier einstufen. Und die Spanier hassen buchstäblich die Marokkaner und Algerier. Und warum? Weil einige von ihnen dort wirklich schlimme Sachen machen; ich bin ein Zeuge. Und da es so viele Leute von ihnen gibt, so viele Marokkaner, ist der Effekt wirklich hoch. Und die Spanier hatten wirklich genug von ihnen. Also wurde ich als Marokkaner eingestuft und ich wurde oft abgelehnt. Sehr oft.
Aber Gott sei Dank, habe ich hier in Deutschland fantastische Erfahrungen gemacht. Die Leute sind wirklich nett zu mir. Zumindest ist das meine persönliche Erfahrung. Ich weiß, ich habe Freunde, die das Gegenteil sagen, die sagen: “Oh nein, die Deutschen lehnen uns ab”. Aber meine persönliche Erfahrung ist fantastisch, unglaublich fantastisch. Ich werde sehr willkommen geheißen, die Leute behandeln mich wirklich gut, super respektvoll, super einladend. Ja, manchmal hat man ein paar negative Begegnungen, aber meiner Meinung nach nichts Wichtiges, weil es wirklich nur manchmal ist.
In Suhl hatte ich einige Begegnungen, aber nicht viele. Eine Interaktion war nicht gut. Ich ging in einem Laden an einer Tankstelle Kaffee kaufen. Und ich sprach mit dem Personal komplett auf Englisch. Sie mochte das nicht, sie war wütend. Vielleicht weil ich Englisch sprach, ich weiß es nicht. Dann sagte ich ihr, dass ich nur den Preis wissen wollte. Weil ich zu der Zeit keine Ahnung von den deutschen Zahlen hatte. Also nahm sie den Bildschirm der Maschine, die sie hat, und drehte ihn wirklich hart, sie war kurz davor, ihn kaputt zu machen. “Lies es.” Aber hier in Deutschland hatte ich so viele Interaktionen mit deutschen Leuten, die fantastisch liefen. Ich bin auch nach Frankfurt gefahren, um dort meine Freunde zu treffen. Ich habe dort auch wirklich sehr schöne Erfahrungen gemacht.
RAFAEL: Aber ich habe den Eindruck, dass es nicht so viele Kontakte gibt zwischen den Leuten, die im Rest von Suhl leben und den Leuten innerhalb des Lagers. Am Anfang gab es auch nicht diesen Zaun drum herum. Ich war 2015 dort, als es keinen Zaun gab. Dann fingen sie an, einen Bauzaun aufzustellen. Und später haben sie dann einen festen Zaun gebaut. Jetzt scheint es wirklich schwer zu sein, überhaupt einen Kontakt herzustellen.
AHMED: Ja, wo wir darüber reden erinnere ich mich an etwas: Wir sind immer zu Fuß ins Zentrum von Suhl gegangen, weil es bergab geht, also ist es nicht wirklich schwer. Wir mussten viel laufen, um ins Zentrum von Suhl zu kommen. Die Natur war sehr schön, wie im Himmel! Ich liebe die Natur einfach. Wenn wir drüber reden erinnere ich mich an so viele Dinge, die ich wirklich vergessen habe. Aber wenn man zurückkommt, muss man viel bergauf gehen. Es ist also wirklich schwer mit so viel Gewicht auf deinen Schultern. Also gingen wir zu Fuß runter und kamen mit dem Bus zurück. Was mir dabei aufgefallen ist, ist, dass wenn man in den Bus einsteigt und die Deutschen neben einem leeren Sitzplatz sitzen, sie ihre Arme auf die Lehne legen, so dass man sich nicht setzen kann. Oder sie stellen ihre Taschen auf den leeren Sitz, als Zeichen dafür, dass sie nicht akzeptieren, dass du neben ihnen sitzt. Aber das ist wirklich verständlich, ich verstehe das. Ich habe nichts gegen jemanden, ich spreche nur als Zeuge. Es tut mir wirklich leid, dass ich das wiederhole, aber wieder waren es einige der Marokkaner, die betrunken in den Bus einsteigen. Und einige steigen in den Bus ein, ohne einen Fahrschein zu kaufen, und versuchen, schnell vorbei zu gehen. Und sie fangen an, wirklich laut zu sprechen und die anderen nicht zu respektieren, besonders wenn sie betrunken sind. Was erwartest du also? Natürlich: “Nein, setz dich nicht hier hin. Ich will in Sicherheit bleiben.” Also blieb ich immer stehen. Ich verstehe, dass die Leute nicht verstehen, was vor sich geht und warum es passiert.
RAFAEL: Und wie war es, im Zentrum von Suhl zu sein?
AHMED: Jetzt erinnere ich mich an etwas im REWE, der große im Zentrum. Normalerweise, wenn du nur eine Sache kaufen willst, nimmst du keinen Einkaufswagen. Also bin ich reingegangen und habe angefangen, nach den Sachen zu suchen, die ich kaufen wollte. Da war so eine Abteilung, wo sie Blumen und kleine Pflanzen verkaufen. Dieser Teil befindet sich in der Nähe des Eingangs, wo man auch wieder gehen kann, ohne durch die Kasse gehen zu müssen. So verdächtigten sie mich, dass ich mich auf die Flucht vorbereite. Als würde ich die Blumen und Pflanzen beobachten und dann würde ich fliehen. So begann eine Kundin mit mir auf Deutsch zu sprechen, ich verstand nicht, was sie sagte. Aber ich wusste, dass sie meinte, dass ich etwas falsch mache, dass ich fliehen werde. Dann kam eine Arbeiterin und fing an, auf Deutsch zu sprechen und sehr laut zu schreien. Sie schrie: “Raus, raus, raus!“ Okay, also fing ich an, ganz ruhig auf Englisch zu sprechen: “Was ist los mit Ihnen, was ist los?” Etwa so. Als ich anfing, das zu sagen, wurde sie ein bisschen entspannter. Dann machte sie eine Geste und sprach auf Deutsch und ich verstand, dass sie mir erklärte, dass ich einen Einkaufswagen haben sollte. Also sagte ich: “Okay, ich will nur dieses Zeug, also brauche ich keinen Einkaufswagen. Aber es ist schon okay.“ Also ließ ich alles stehen und liegen. Ich ging raus, holte mir einen Einkaufswagen und ging wieder hinein. Ah, in dem Moment hatte ich keine Münzen, ich hatte nur Scheine. Also ging ich zur Kasse, um einen 5-Euro-Schein in Münzen umzutauschen, damit ich einen Einkaufswagen holen kann. Die Frau an der Kasse hatte alles gesehen und sie war wirklich nett zu mir, sehr respektvoll. Dann machte die Arbeiterin, die mir ins Gesicht geschrien hatte, eine Geste, zu ihr zurückzukommen. Also ging ich zu ihr, um zu sehen, was sie wollte. Dann verstand ich, dass da noch eine andere Kundin war, die gehen wollte und einen Einkaufswagen hatte, der anscheinend keine Münze brauchte. Sie sagte: “Nehmen Sie den hier, wenn Sie wollen.” Ich verstand, dass sie sich auf diese Weise entschuldigen wollte, um das, was sie getan hatte, in Ordnung zu bringen. Ich sagte: “Nein, ich danke Ihnen vielmals.” Ich ging zurück zur Kassiererin, ich holte die Münzen, um den Einkaufswagen mit meinem Geld zu holen, und alles lief gut.
Das ist mir passiert. Es war wirklich schlimm, vor den Augen aller. Aber auch hier wieder verstehe ich den Grund, warum das passiert ist. Weil ich solche Erfahrungen auch in Spanien gemacht habe. Nicht mit dem Einkaufswagen, sondern in Spanien zum Beispiel, wenn du das Einkaufszentrum betrittst, dann merkst du, dass dir jemand folgt, wohin du auch gehst. Und das ist wirklich scheußlich. Jedenfalls habe ich eine Idee, warum sie sich so verhalten hat. Fünf Minuten später, als ich mit meinem Einkaufswagen drinnen war, hörte ich wieder Leute schreien. Ich ging hin und sah, wie sie jemanden raus geschmissen haben, der mir wie ein Marokkaner vorkam. So verstand ich es: REWE ist in der Nähe des Lagers und alle Flüchtlinge kommen, um dort einzukaufen. Also haben die Mitarbeiter, die in REWE arbeiten, viele Jahre lang solche Erfahrungen gemacht, wo sie mit einigen bösen Flüchtlingen konfrontiert wurden, die stehlen und versuchen zu fliehen. Ich verstehe also, dass sie ihre eigenen Traumata haben. Und das ist ihre eigene Arbeit, ihre Anlagen und die Produkte dort zu schützen. Also noch einmal, es ist nicht meine Schuld, aber ich bezahle den Preis dafür.
Jetzt, hier im „Heim” in Weimar, haben wir marokkanische Leute. Ich weiß, wenn ich weiterhin marokkanische Leute sage, wird man mir vorwerfen, dass ich auch Rassismus praktiziere. Ich weiß das, leider. Aber das passiert. Ich sage nur, was ich gesehen habe und was ich die ganze Zeit höre. Also wir haben hier in Weimar Marokkaner, die Kleidung klauen, Parfüm klauen und es dann verkaufen. Das passiert und ich sehe das. Jetzt kann ich also keinem deutschen Bürger die Schuld für seine Reaktionen auf solche Vorfälle geben. Nach all dem können wir die Deutschen nicht beschuldigen. Sie haben auch eine schlechte Erfahrung gemacht. Wir müssen fair sein, Rafael. Ich denke, dass beide Seiten keine sehr reibungslose und schöne Erfahrung machen, was übrigens normal ist. Aber noch einmal, da wir über Rassismus sprechen, müssen wir zugeben, dass die Deutschen auch schwierige Zeiten haben. Wir werden nicht so tun, als ob ein Teil die Engel und der andere Teil die Teufel sind, nein, so ist es nicht.
RAFAEL: Nein, natürlich nicht, darum geht es mir nicht.
AHMED: Das ist es nicht. Es ist wirklich traurig, aber es ist, wie es ist. Und ich möchte noch einmal sagen, dass ich ein Zeuge bin. Ich bin jemand, der im Heim lebt und dies mit meinen Augen sieht und hört, wie sie darüber sprechen, der in dieser Atmosphäre lebt.
RAFAEL: Es wäre aber gut, sie zu fragen, warum sie das tun.
AHMED: Gute Frage. Ich habe auch gefragt. Ihnen zufolge ist die Sache so, dass sie nicht als Flüchtlinge aufgenommen werden können, sie werden superschnell von der Regierung rausgeschmissen, weil ihr Land als sicher gilt. Sie versuchen also, so viel Geld wie möglich zu verdienen und dann in ein anderes europäisches Land zu gehen und diesen Prozess weiterzuführen. Das ist mir auch mit einem anderen Marokkaner passiert, vor ein oder zwei Monaten vielleicht. Er kam in mein Zimmer, er war mein Mitbewohner. Er bekam eine negative Antwort vom BAMF. Und alles, was er wollte, war die Beihilfe zu bekommen, die 310 Euro beträgt, und dann nach Belgien zu reisen. Als Flüchtling, solange du lernst und nicht arbeitest, bekommst du 310 Euro im Monat. Das ist die Beihilfe, um dein Essen, deine Kleidung und solche Sachen zu kaufen. Also hat er das bekommen und er hat dieses Geld benutzt, um ein Zugticket zu kaufen und ist einfach weggegangen. Diese Sache passiert also noch und passiert weiter.
RAFAEL: Aber ich habe auch gehört, dass sie oft eine Menge Geld zurückzahlen müssen. Ich meine, wenn man von Marokko nach Europa kommen will, bezahlt man entweder viel für eine Schiffsreise oder noch mehr für ein gefälschtes Visum. Ich kenne auch jemanden, der ein gefälschtes Visum gekauft hat und dann muss man es zurückzahlen.
AHMED: Aber wie auch immer, das rechtfertigt nicht, was sie tun. Denn man kann ein guter Mensch sein, wenn man einen Plan hat. Sogar wenn man auf dem Schwarzmarkt arbeiten, sagen wir mal. In Spanien zum Beispiel ist es okay, die Afrikaner verkaufen einfach Sachen auf der Straße. Es ist illegal, ohne Erlaubnis zu arbeiten, aber es ist viel, viel besser als zu stehlen und anderen Menschen Schaden zuzufügen.
RAFAEL: Aber ich glaube, in Deutschland ist das viel schwieriger.
AHMED: Nein, es ist unmöglich. Aber in Spanien zum Beispiel, in den Straßen, da stellen sie die Taschen hin und sie verkaufen einfach. Die spanischen Behörden sind da ein bisschen flexibler. Weil sie wissen, wenn sie das erlauben, werden diese Leute keine illegalen Sachen machen, um etwas zu Essen zu haben. Also nochmal, du hast dasselbe gesagt. Sie müssen ihre Kredite und Schulden zurückzahlen. Aber das ist kein Grund, anderen Menschen Schaden zuzufügen. Wenn ich weiß, dass ich das tun muss, dann ist es besser, in meinem Land in Würde zu sterben, als hierher zu kommen und einfach alle in Angst und Unsicherheit zu versetzen.
RAFAEL: Nun, es ist wahrscheinlich am Anfang nicht ihr Plan.
AHMED: Ja, vielleicht. Aber nichts rechtfertigt es, anderen Schaden zuzufügen. Das Leben ist wirklich hart und schwierig, für einen Flüchtling, für einen Menschen ohne regulären Aufenthalt ist es wirklich kompliziert. Mehr als du dir jemals vorstellen kannst. Aber noch einmal: Anderen Schaden zuzufügen ist eine rote Linie, die nicht überschritten werden sollte.
RAFAEL: Aber warum dürfen sie dann nicht arbeiten?
AHMED: Okay. Aber du kannst das rote Kreuz um Hilfe bitten, du kannst die Caritas um Hilfe bitten. Ich weiß, dass sie beim Essen helfen, sie kaufen dir Reisetickets und sie können dir bei so vielen anderen Dingen helfen, aber sie geben kein Bargeld. Ich weiß, dass ich eine Art privilegierte Person bin, weil ich jetzt einen legalen Status habe. Aber auch hier betrachte ich die Sache nur von einem logischen Standpunkt aus: ich glaube, wenn ich in ihren Schuhen stecken würde, hätte ich das nie getan. Das heißt nicht, dass ich besser bin als jeder andere. Ich verstehe, dass sie aus sehr armen Verhältnissen kommen, vielleicht aus einem schwierigen sozialen Leben. Aber um Gottes willen, noch einmal, anderen Schaden zuzufügen ist etwas, das wirklich und logischerweise ein großes No-Go ist!
Ich weiß wirklich nicht, was ich sagen soll. Es ist wirklich traurig, weil wir wirklich verstehen, wie schwierig ihr Leben ist. Aber wiederum aus meiner Erfahrung heraus, scheint es, dass sie keinen Plan haben, ihr Leben zu verbessern. Was machst du also? Du machst illegale Sachen und schadest anderen. Aber benutze wenigstens dieses Geld, um diese schwarze Periode deines Lebens zu verlassen. Aber plane nicht, dein ganzes Leben auf diese Weise fortzusetzen. Ich habe oft von ihnen gehört, dass sie in Frankreich arbeiten, zum Beispiel im Verkauf von Drogen, Kokain und solchen Sachen. Sie verdienen eine Menge Geld. Du bist ein Dealer – Okay, gut. Aber benutze dieses Geld, um ein Geschäft zu gründen, um etwas anzufangen. Um auf die eine oder andere Weise eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen. Aber ficke nicht weiter das Leben anderer. An diesem Punkt werde ich aufhören… ich weiß nicht was zu sein.
Ich gehe noch mal in der Zeit zurück, als ich in Suhl war. Da ich Englisch spreche, hat die Polizei mich als Dolmetscher bei den Konflikten, die sich ereignet haben, eingesetzt. Es gibt so viele Konflikte in Suhl. Die Polizei kam fast jeden Tag in das Lager. Wieder hauptsächlich Marokkaner, Algerier, die untereinander kämpfen, und die Polizei kommt. Es war in der Öffentlichkeit, vor allen Leuten. Einmal war das Problem, dass ein Tunesier das Fenster eines Autos kaputtgemacht hat, um eine Jacke zu stehlen, eine ganz normale Jacke. Und dann kam er hierher, um sie für 10 Euro zu verkaufen. Wenn du also deutscher Staatsbürger bist, du hast dein schönes Auto, du liebst dein Auto, und dann kommst du zurück und siehst, dass das Fenster kaputt ist und deine Jacke gestohlen wurde. Und dann findest du heraus, dass das ein Flüchtling getan hat. Du bist kein Engel, um zu sagen: “Oh nein, nicht alle Flüchtlinge sind so.“ Du fühlst dich natürlich so wie: “Oh, um Gottes willen, geht nach Hause, Flüchtlinge!“ Nicht wahr? Also wieder haben wir deutsche Opfer. Wenn du ein Deutscher bist, der dieses Problem mit seinem Auto hat – du hast Freunde, du hast eine Familie. Du wirst darüber sprechen, du wirst es ihnen erzählen. Sie werden es ihren Freunden erzählen und ihre Freunde werden es ihren Freunden erzählen. Aber wer hat dieses Problem verursacht? Nur eine Person! Aber jetzt ist es ein verallgemeinertes Thema: “Flüchtlinge machen so etwas”. Was können wir deiner Meinung nach tun? Es ist ein endloser Kreis, es geht immer weiter und weiter.
Ein unschuldiger Flüchtling, der nichts Unrechtes tut, wird irgendwie den Preis für die Diebe bezahlen, die kommen und das Asylrecht missbrauchen. Sie kommen, sie essen umsonst, sie bekommen 310 Euro im Monat und sie stehlen. Und nichts passiert. Und dann gehen sie in andere europäische Länder und der Ball rollt und rollt weiter. Und der Hass gegen Flüchtlinge wird immer größer und größer. Und warum? Nur wegen mancher Krimineller, mancher Diebe, mancher Menschen, die eigentlich keine Flüchtlinge sind. Menschen, die von sich aus eine Gefahr für die anderen sind. Das ist ein Problem. Die Polizei tut nicht das, was sie mit solchen Kriminellen zu tun hat. Alle Kriminellen, ob Deutsche oder Flüchtlinge, müssen zügig vor Gericht gestellt werden. Es ist unmöglich, dass ein Krimineller vielleicht für einen Tag ins Gefängnis geht und dann wieder raus kommt und diese Dinge weiterhin tut. Sie sind vorbestraft und trotzdem tun sie, was sie tun, weil sie wissen, dass es keine wirkliche Strafe gibt.
Ich bin auch ein Opfer von ihnen. In Spanien habe ich wirklich gelitten. Nur weil ich so eine Art Braune Person war, wurde ich wirklich zurückgewiesen. Die Spanier sind nett, sie sind sehr, sehr, sehr friedliche Menschen. Sie werden dir überhaupt keinen Schaden zufügen. Aber es ist leicht, die Ablehnung zu spüren. Es ist das Einfachste, zu fühlen, ob eine Person dich ablehnt oder nicht. Das habe ich überhaupt nicht erwartet, als ich aus meinem Land nach Spanien kam. Ich hatte keine Ahnung von der Interaktion zwischen den Europäern und den anderen Zivilisationen oder Ländern vielleicht. Ich dachte, es wäre wirklich in Ordnung, ich würde die Sprache lernen, ich würde den Menschen helfen. Aber es stellte sich wirklich anders heraus.
Hier in Deutschland versuchen die Leute, dich dazu zu drängen, Deutsch zu sprechen, was etwas wirklich Wichtiges ist. Aber manchmal denken sie nicht dran, dass du gerade erst nach Deutschland gekommen bist. Zum Beispiel war ich heute, bevor ich zu dir kam, in einer Fahrschule. Ich spreche nicht so viel Deutsch, also habe ich etwas Deutsch gesprochen und dann hab ich auf Englisch gewechselt. Da hat sie gesagt: “Du musst Deutsch sprechen und du musst B1 machen, um einen Führerschein zu bekommen. Die deutsche Sprache ist wichtig”. Ich verstand, was sie sagte, denn ich verstand einige Wörter und ich verstand das allgemeine Thema. Also habe ich ihr gesagt, dass ich seit vier Monaten hier in Deutschland bin. Da war sie erstaunt: “Oh wow. Du sprichst sehr gut Deutsch dafür, dass du erst seit 4 Monaten hier bist.” Also, ja, gib mir einfach etwas Zeit. Ich werde es mit aller Kraft lernen, die ich habe, aber, gib mir etwas Zeit.
RAFAEL: Wie war das eigentlich, als du als Dolmetscher gearbeitet hast, wurdest du da bezahlt?
AHMED: Bei den Sozialarbeitern? Ja, 80 Cent pro Stunde. Deshalb nannte ich es eine freiwillige Arbeit. Weil ich glaube, dass 80 Cent für eine Stunde ein Witz ist. Also habe ich es als Freiwilligenarbeit betrachtet.
RAFAEL: Und sie haben keine wirklich bezahlten Übersetzer?
AHMED: Sie suchen in den Lagern nach Freiwilligen. Also hatten wir Freiwillige, die in der Küche arbeiten, im Waschraum arbeiten. Andere Freiwillige, die Müll und Papier aus dem Garten aufsammeln.
RAFAEL: Findest du das fair?
AHMED: Ich denke, es ist keine große Sache. Es ist wirklich schön, auch etwas zurückzugeben.
RAFAEL: Wenn du dort respektiert wirst.
AHMED: Ja. Also, ich für mich habe wirklich das Gefühl, dass ich alles schätze, was ich hier bekomme. Denn letztendlich glaube ich, dass Deutschland dies ohne Verpflichtung tut. Wenn du logisch darüber nachdenken willst: Okay, wir sind arabische Menschen. Wir sprechen Arabisch. Unsere Hauptreligion ist der Islam, richtig? Okay. Wir haben sehr sehr reiche Länder, wie Saudi-Arabien, Katar, Dubai, die Emirate, okay? Und sie sind die Nachbarländer. Sie haben die Türen nicht geöffnet und gesagt: “nehmt die Flüchtlinge auf und nehmt dies, dies und das”. Aber schau hier. Das ist nicht so gewöhnlich. Das ist etwas, das wirklich wertvoll ist. Denn wenn unsere Nachbarländer die gleiche Sprache, die gleiche Kultur, die gleichen Traditionen, die gleiche Religion haben, eine Religion in der man auch dem anderen helfen soll, warum haben sie das dann nicht getan? Also, was immer ich hier bekomme, auch wenn es nur wie eine Tasse Kaffee war, schätze ich sehr. Ich kann also den Mangel nicht verurteilen. Ich kann die Deutschen nicht verurteilen und beschuldigen, wenn sie ein bisschen unpassend reagieren. Denn wie wir die Situation vorhin analysiert haben, verstehen wir die Situation besser. Manche Flüchtlinge sagen: “Wir haben in Suhl nicht dieses, dieses und jenes”. Okay. Dieses Land, Deutschland, bietet mir das an, wozu sie nicht verpflichtet sind. Okay, wenn du also ein Freiwilliger bist, was auch immer du von deiner Zeit gibst, Geld et cetera wird sehr geschätzt. Du kannst nicht zu einem Freiwilligen kommen und über ihn urteilen: “Warum gibst du mir nicht mehr Geld? Warum gibst du mir nicht dies und das?” Er hat dir gegeben, was er dir geben kann und was er dir geben will. Niemand kann einen Freiwilligen zwingen, etwas gegen seinen eigenen Willen zu tun. Deutschland oder die anderen europäischen Länder machen das auch freiwillig, oder?
RAFAEL: Auch nach einigen internationalen Verträgen, die sie unterschrieben haben.
AHMED: Aber haben sie irgendwelche Vorteile davon?
RAFAEL: Ich bin mir nicht sicher.
AHMED: 300 Euro Taschengeld sind eine Menge Geld. Denn weißt du, wie viele Flüchtlinge wir haben? Sie hätten niemals so viel Geld in ihren Ländern bekommen. Okay, also ich weiß das sehr zu schätzen. Auch wenn sich die Köchin oder der Wachmann auf eine Art und Weise verhält, die nicht wirklich nett ist. Aber trotzdem macht das nicht die Tatsache kaputt, dass dieses Land sehr großzügig ist, sehr gastfreundlich und sehr offen zu Menschen ist, die von wirklich verschiedenen Orten kommen. Und einige von ihnen benehmen sich nicht sehr gut. Also, ich denke, es ist wirklich eine reine Logik. Also nochmal, vielleicht liegt der Rassismus bei 20% und der Rest ist Reaktion. Oder eine traumatische Reaktion von Seiten der europäischen Gemeinschaft im Allgemeinen. Europäische Gesellschaften, die nicht verstehen können, warum um alles in der Welt sich einige dieser Menschen so verhalten.
RAFAEL: Aber siehst du, dass die Leute fragen: “Warum verhältst du dich so?
AHMED: Nein, tatsächlich fragen sie nicht. Nein, das tun sie nicht. Und das ist die Kluft, über die wir sprechen. Übrigens, das ist eine gute Frage. Jetzt denke ich darüber nach. Wir haben wirklich riesige Sicherheitsleute in Suhl. Wenn du die Küche verlässt und du hast eine Tasche, dann öffnen sie die Tasche. Und dann sehen sie buchstäblich eine Menge Brot. Also, anstatt etws zu schreien wie: “Das ist verboten!” – sie schreien wirklich, wirklich laut – könnten sie einfach fragen, so wie du es gerade getan hast: “Warum machst du das?” Vielleicht lässt diese einfache Frage diese Person denken: “Ja, wirklich, warum tue ich das?“ Es würde klicken: „Ich werde ganz sicher dreimal Essen bekommen. Warum brauche ich so viel Brot?“ Also, vielleicht, wenn wir die Herangehensweise ändern: Anstatt zu schreien und als Wachmann defensiv zu reagieren, kannst du einfach fragen: “Warum tust du das? Du weißt, dass es eine Menge Essen in ein paar Stunden gibt.” Du hast also Recht damit, Rafael.
RAFAEL: Oder vielleicht haben sie einen Grund, den sie erklären können. Zum Beispiel, dass ihr Kind im Zimmer ist …
AHMED: Ja. Aber trotzdem… Da wir Geld bekommen, wollen sie vielleicht, dass wir mit diesem Geld die zusätzlichen Lebensmittel kaufen, die wir essen wollen. Vielleicht Missmanagement, ich weiß nicht. Aber noch einmal, ich verstehe den Punkt der Leute, die dort arbeiten. Denn wenn man die Türen öffnet, also ich meine, wenn man sagt: “Du kannst essen, was immer du willst und mitnehmen, was immer du willst”, dann werden die Leute buchstäblich anfangen, riesige Mengen an Essen zu holen, die das Restaurant mit der Zeit nicht mehr anbieten kann. Und wenn wir über Essen sprechen – das Essen war manchmal nicht so angemessen, es war manchmal salzig, scharf, seltsam. Manchmal bin ich hineingegangen, habe mein Essen bekommen und konnte es nicht essen und ich musste es wegwerfen und einfach gehen. Das ist mir auch passiert, muss ich zugeben. Aber nochmal, es sind Menschen, die versuchen, das anzubieten, was sie können. Aber noch einmal, ja, wir können ein Gespräch führen. Flüchtlinge können mit den Leuten sprechen, die für das Essen verantwortlich sind. Was stimmte mit diesem Essen nicht, warum mochten sie es nicht. Anstatt immer wieder das gleiche Essen zu kochen und die Leute dazu zu bringen, es in den Müll zu werfen. Die Leute gehen hungrig raus und du verschwendest das Essen nutzlos. Also ja, noch einmal, uns fehlt die Kommunikation. Wir brauchen mehr Kommunikation. Okay, also ja, das ist das Problem. Das ist das Problem.
RAFAEL: Und hast du noch einen Wunsch für dich selbst, für dein Leben?
AHMED: Ich war in Spanien, wie ich schon sagte. Und meiner Meinung nach bin ich sehr privilegiert, jetzt hier in Deutschland zu sein. Mir steht die Zukunft wirklich weit offen. Und ich bin sehr motiviert, wirklich schnell voran zu gehen und eine wichtige Zukunft aufzubauen. Ich habe viele Ideen. Die erste ist, Deutsch bis C1 zu studieren und eine Ausbildung zum Übersetzer und Dolmetscher vom Deutschen ins Englische, Arabische und Spanische zu machen. Das ist Nummer eins. Dann habe ich persönlich den Wunsch, der deutschen Gesellschaft etwas zurückzugeben. Ich habe noch keine klare Vorstellung davon, was ich machen kann, das für die deutsche Gesellschaft selbst von großem Wert sein kann. In Spanien war ich auch sehr dankbar für die spanische Gesellschaft. Übrigens war ich in Spanien kein Flüchtling. Aber ich habe wirklich alles geschätzt. Also habe ich versucht, etwas zurückzugeben, ich habe ehrenamtlich gearbeitet. Aber ich hatte nicht das Gefühl, dass es eine so große Wirkung hatte, wie ich sie gerne haben würde. Denn, weißt du was? Wir haben viel über das Missverständnis zwischen den europäischen Menschen und den Flüchtlingen gesprochen. Also möchte ich etwas machen, das groß genug ist, um an die Öffentlichkeit zu gehen. Etwas, dass der deutschen Gesellschaft selbst eine wichtige Hilfe leistet. Ich könnte ehrenamtliche Arbeit machen, anderen Flüchtlingen helfen. Aber ich weiß, dass ich die Situation in Ordnung bringen muss. Ich muss der deutschen Gesellschaft zeigen, dass es nicht nur die dunkle Seite einiger Flüchtlinge gibt, sondern auch eine sehr glänzende Seite. Ich weiß nicht, was es von meiner Seite sein könnte, aber ich möchte den Deutschen einfach zeigen, dass die ganze Situation ein anderes glänzendes Gesicht hat. Weil sie es verdient haben – ich rede von den Deutschen, weil wir in Deutschland sind, in Spanien wäre es dasselbe. Ich habe im Moment keine Ahnung, wie ich an die Öffentlichkeit gehen und diese Zusammenarbeit machen soll. Aber lass uns sehen, was passieren wird. Aber ich verstehe, ohne ein gutes Niveau der deutschen Sprache kann ich nichts machen. Ich muss erst wirklich gut Deutsch lernen, bevor ich etwas tun kann. Aber zumindest habe ich diese Idee im Kopf.
Wir haben überall Opfer. Wir sind alle Opfer; Opfer von anderen Opfern. Eine Serie von Opfern, weißt du. Aber diese Welle sollte aufhören. Und wie kann man sie stoppen? Das Bewusstsein der Menschen schärfen. Und natürlich ihre Traumata in Ordnung bringen. Das ist alles. Dann wird diese Welle sofort aufhören.