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Tabita

lebt seit 2011 in Borna und meint oft sich selbst, wenn sie von „wir“ und „uns“ spricht

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An dieser Stelle würdest du für gewöhnlich die lange Version unseres Gespräches mit Tabita finden. Zu unseren Arbeitsprinzipien gehört es, nur Texte und Bilder zu veröffentlichen, wenn sich die interviewte Person damit einverstanden erklärt und sich mit dem Text wohl fühlt. Aus verschiedenen persönlichen Gründen veröffentlichen wir daher hier eine kurze Version wie sie im Bornaer Stadtjournal veröffentlicht wurde. Wir bitten um Verständnis und Rücksicht auf unsere Arbeitsweise und Tabitas Wünsche.

Ich bin eine multiple Persönlichkeit, das heißt ich habe viele Innen-Anteile. Eine Innen-Person heißt zum Beispiel Tabita. Sie ist eine Innen-Person von uns, die auch im Alltag mitmacht, eigentlich auch eine starke Persön­lich­keit. Die ist so um die 30 Jahre alt. Das Alter der Innen-Person hat nichts damit zu tun, wie alt der Körper ist. Uta ist unsere Kämpferin, die hat uns schon aus manchen bedrohlichen Situa­tionen herausgeholt. Aber Tabita ist eigentlich eine coole Sau: Mit einer Mit­arbei­terin vom Frauenhaus hat Tabita zum Beispiel auch immer zusammen gesungen, was andere Innen-Personen nicht so mochten.
Wenn du multiple bist, heißt das ja nicht, dass jeder im Inneren weiß, dass noch andere Personen in diesem Körper wohnen. Multiple sein kann man sich im Grunde wie ein riesen­großes Hochhaus vorstellen, mit ganz vielen verschiedenen Wohnungen und Familien oder sonst was. Da weißt du ja auch nicht, wenn du im Hochhaus wohnst, was der im Erd­ge­schoss macht. Dich dann wie bei so einem Hausfest nach und nach kennen zu lernen und miteinander zu arbeiten, das ist dann jahre­lange Therapie. Wir haben im Inneren mittlerweile eine gute Zusammen­arbeit, so dass Austausch stattfindet. Multiple sein ist keine Krankheit, sondern eine Art des Überlebens nach jahrelanger Gewalt.
Ich bin Opfer von ritueller Gewalt. Ich habe aus einer Großstadt im Norden fliehen müssen und bin dann in eine Schutz­wohnung in eine andere Stadt gekommen und habe dann mit meiner Tochter da gelebt. 2011 bin ich nach Borna gekommen. Das ist nicht meine Traum­stadt, ganz ehrlich, ätzend finde ich es. Wo wir bisher lebten, ist es egal welche Hautfarbe du hast. Ich habe in einem Viertel gelebt, da guckt man nicht danach aus welchem Land einer kommt, sondern da waren Menschen, einfach nur Menschen. Diesen Hass hier in Borna zu merken, das hat mich völlig überfordert. Wir sind nicht mit diesem Hass groß geworden. Das kennen wir einfach nicht. Wir sind offen, freundlich und im Miteinander. Ich würde alles dafür tun in einer friedlicheren Gemeinschaft zu sein. Ich gucke immer, dass ich in der Nachbar­schaft gut klar komme. Ich will keinen Krach haben.

Ich möchte einfach ein Mit­einander, ein schönes Zusammen­leben und nicht ein Gegen­einander. Das kann man einfach nicht gebrauchen, es passiert genug schlimme Sachen auf der Welt. Da sollte man gucken, dass man in Frieden leben kann. Mit Frieden meine ich nicht, dass es nie mal einen Streit gibt oder Auseinander­setzungen oder Meinungs­ver­schieden­heiten, aber dass man eben nicht versucht den anderen fertig zu machen. Diese Ge­hässig­keit ist in Borna ganz extrem. Das ist nicht schön, das ist auch nicht meine Welt. Überhaupt nicht. Mit Kleinig­keiten geht das schon los: jeder versucht den anderen das Leben schwer zu machen, nieder zu machen.
Manchmal denkt man so: in Borna tut sich was. Aber in manchen längeren Gesprächen mit meiner Nachbarin kommen mir dann Zweifel. Sie sagt dann: „Die Ausländer kriegen sowieso eine fertige Wohnung, die kriegen alles in den Arsch geschoben“. Gleichzeitig zieht über ihr ein Pärchen ein, sie fängt an Kontakt aufzubauen und sagt: „Oh, die sind ja wirklich nett und was die alles machen und was die alles durch haben.“ Sie fängt an sich für diese Leute einzusetzen und begleitet sie zum Arzt. Wenn es dann mal nicht funktionierte, wie sie sich das dachte, heißt es: “Ah, die wollen doch nichts.” Wo ich denke: Du hast doch vorhin noch ganz anders geredet.
Ich werde hier nicht mehr weggehen, das ist einfach so. Ich möchte bestimmte Leute nicht verlieren: Mein Helfer-Team, wo ich wirklich dankbar für bin. Und ich bin glücklich. Eine meiner Sozial­arbeiterinnen sagt immer: „Auch wenn ich keine Bereitschaft mehr mache, wenn was ist, ihr könnt mich anrufen.“ So dieses Herzliche. Man merkt, da sind Leute, die sind wirklich für dich da. Du musst gar nicht immer Kontakt zu denen haben, aber ich weiß, wenn ich wirklich in Not bin, sind die für mich da. Und das ist einfach so ein Sicher­heits­gefühl. Deswegen möchte ich einfach auch hier bleiben.
Ich habe das damals schon bei meiner Tochter gehasst, dass es hier einfach nicht viel gegeben hat für Jugendliche. Vor allem, alle beschweren sich, was die Jugendlichen für Scheiße bauen oder randalieren, aber gibt es in Borna eine Möglichkeit für Jugend­liche? Nee. Auch wenn es jetzt den Jugend­treff gibt, aber welcher 14-15-Jährige geht da noch rein? Die haben andere Interessen und da wird nichts für sie geboten. Reden tun sie alle viel, aber verändern? Aber im Großen und Ganzen geben wir Borna noch mal eine Chance.

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