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Annelies

geboren 1994, arbeitet als Kälberspezialistin und ist frisch verheiratet

annelies_web

FRIEDER: Seit wann bist du hier in Borna?

ANNELIES: Da muss ich kurz überlegen. Ich glaube 2017 bin ich von Dittmannsdorf nach Borna gezogen. Vom schönen Dorfleben in die Stadt. Ich war zwischendrin mal in Leipzig. Hierher bin ich nur gezogen, weil ich nicht so weit weg von meinen Eltern sein wollte. Ich habe in Penig gearbeitet, aber das geht ja mit der Autobahn ganz gut. Deswegen und weil ich eine ganz schicke Wohnung gefunden habe, ist es Borna geworden. Zu Beginn war ich dort allein. Dann habe ich meine Frau kennengelernt und wir sind letztes Jahr zusammengezogen.

SANDRA: Was macht man denn als junger Mensch hier? Ich bin auch in Borna aufgewachsen und es gibt ja nicht einmal eine Bar.

ANNELIES: Naja, es gibt hier Bars und Restaurants die ganz in Ordnung sind, aber es stimmt schon, dass es für die Jugend nicht viel gibt. Ich bin niemand, der gerne in einer Bushaltestelle herumsitzt, was einige Jugendliche machen. Ich bin sehr zufrieden mit meiner Wohnung, bin dort oft und treffe mich mit Freunden. Wir haben auch einen Garten in Großzössen. Das ist nicht gerade der nächste Weg, aber es ist schön ruhig und abgelegen und vor allem kennt man nicht alle. Man hat echt seine Ruhe. Da halten wir uns viel auf. Es ist nicht wie Leipzig, wo du jeden Tag losziehen und was erleben kannst.

FRIEDER: Was arbeitest du eigentlich?

ANNELIES: Man nennt den Beruf „Kälberspezialistin“. Ich bin im Außendienst und demzufolge oft unterwegs. Ich mache alles rund um Kälberaufzucht: Ich verkaufe Milchaustauscher, Kälberkraftfutterpellets, also eigentlich alles, was Kälber brauchen. Stall-Einrichtung haben wir auch. Ich besuche und betreue Landwirte und suche neue Kunden. Da bin ich deutschlandweit unterwegs, weil wir nicht so viele Leute sind. Es ist eine holländische Firma und wir wollen unser Deutschland-Geschäft ausbauen.

SANDRA: Also bist du, wie deine Eltern, in der Landwirtschaft geblieben?

ANNELIES: Ja, genau. Ich bin so aufgewachsen und dabeigeblieben, weil es mir echt Spaß macht mit Tieren zu arbeiten.

FRIEDER: Was machen deine Eltern genau?

ANNELIES: Meine Eltern haben eine Milch GmbH. Da stehen ein paar Kühe in Dittmannsdorf. Dort bin ich, ziemlich abgelegen, auf dem Dorf groß geworden. Es war echt eine wunderschöne Zeit. Würde ich einmal Kinder kriegen, würde ich wollen, dass die auch auf dem Dorf groß werden.

FRIEDER: Du bist zwischen tausenden von Kühen aufgewachsen? So mit Pferd, Lasso und Cowgirl-Hut?

ANNELIES: Pferde hatten wir nicht. Mein Vater meinte immer, dass man mit Pferden nichts verdient. Wir wollten immer eins haben, aber da war kein Weg rein. Kühe sind doch auch schön. Das fetzt schon.

SANDRA: Du konntest dich auf dem Betriebsgelände relativ frei bewegen, oder?

ANNELIES: Ja, ich bin immer mit meinem schönen, roten Fahrrad mit Rücktritt herumgedüst und habe Vollbremsungen gemacht. Ich war echt ein Rowdy und war schon immer eine Räubertochter. Ich habe die Leute auf Trab gehalten. Sandra weiß, wovon ich spreche.

SANDRA: Könntest du dir vorstellen, den Betrieb von deinem Vater zu übernehmen?

ANNELIES: Das ist schwierig, aber ich bin ich nicht abgeneigt. Meine Eltern haben einen Massenbetrieb – ein Wort, das ich nicht mag. Die haben mehr als tausend Kühe. Die Städter haben Vorurteile, dass es den Kühen dort nicht gut geht, aber das ist nicht so. Wer sich entscheidet mit Tieren zu arbeiten, der will natürlich auch das Beste für seine Tiere. Eine Kuh gibt nur viel Milch, wenn es ihr gut geht. Eine Kuh, die ständig unter Stress steht und kein schönes Leben hat, gibt wenig Milch.Und ein Milchviehbetrieb möchte Milch gewinnen, natürlich umso mehr, weil die Kosten hoch sind und die Erlöse gering. Die Landwirte sind oft die schwarzen Schafe, machen angeblich alles falsch und verpesten die Umwelt. Deswegen hat unser Vater uns aus dem Betrieb herausgehalten, weil er uns davor schützen will, dass es als Landwirt immer schwieriger wird. Abgeneigt bin ich trotzdem nicht, mir macht es halt Spaß. Es ist ein Job mit wenig Freizeit. Die Kühe müssen täglich gemolken werden- da kann man nicht auf Stopp drücken. Es ist, von den Arbeitszeiten her, anspruchsvoll.

SANDRA: Hilfst du noch oft im Betrieb aus?

ANNELIES: Mein Vater ist Kunde bei alpuro breeding, dem Unternehmen, für das ich arbeite. Deswegen bin ich ab und zu mal dort und betreue ihn. Wenn etwas Besonderes ansteht oder es Personalmangel gibt, helfe ich aber auch mal so aus. Am Wochenende bin ich oft bei meinen Eltern, und dann mache ich auch mit.

SANDRA: Du bist die Einzige aus unserer Generation der Mittdreißiger, die ich kenne, die in dem Bereich unterwegs ist.

ANNELIES: In meinem Freundeskreis ist es auch so. Da gibt es einen Jäger, aber das ist etwas anderes. Es gibt sonst niemanden, der auch auf dem Gebiet arbeitet. Früher war der Bauer noch etwas wert, weil die Leute wussten, dass sie ihr Essen von ihm kriegen. Heutzutage wissen die Leute nicht mal, dass es Kühe gibt und dass die nicht lila sind, sondern schwarz-weiß oder braun. Die Leute gehen zu Edeka, Netto oder Lidl, kriegen dort ihr Essen und wissen eigentlich gar nicht, wo es herkommt und wer die meiste Arbeit damit hat. Jeder weiß, dass Landwirtschaft harte Arbeit ist, und die Jugend will nicht viel machen, aber das meiste Geld verdienen. Da arbeitet keiner, weil er Leidenschaft dafür aufbringt. Hauptsache wenig machen, vor dem Rechner sitzen und viel Geld kassieren. Der Meinung bin ich. Es gibt viele Ausnahmen, nicht alle sind so. Aber wer will denn heute noch Elektriker oder so etwas werden? Niemand will noch etwas mit den Händen machen, wirklich arbeiten. Es gibt viele Akademiker, was in Ordnung ist. Aber wir brauchen auch Leute, die richtig mit den Händen arbeiten.

FRIEDER: Ein Freund von mir, der Gärtner in einer solidarischen Landwirtschaft ist, meinte, dass deutschlandweit lediglich ein Prozent der Erwerbstätigen in der Landwirtschaft arbeiten. Das ist viel zu wenig. Das funktioniert nur, weil wir importieren.

ANNELIES: Ja, das ist so. Aber die Landwirtschaft ist ein wahnsinnig wichtiger Faktor, sonst hätten wir nichts zu essen. Wir leben nicht von Papier. Auch nicht von Luft und Liebe.

SANDRA: Wer zieht denn heute noch nach Borna? Du warst auf dem Sportgymnasium in Leipzig und ich dachte, du bist jetzt ein Stadtkind. Dich hat es anscheinend zurückgezogen. War die Stadt nichts für dich?

ANNELIES: Leipzig war auch schön. Ich hatte eine wunderschöne Zeit, das war echt aufregend. Ich habe mehr Sport gemacht als alles andere. Aber trotzdem, die Leute da, das ist halt anders. In Borna gibt es auch verschiedenste Leute, aber in Leipzig ist es bunt. Das war schon echt super. Ich konnte mir trotzdem nicht vorstellen, dort zu Leben. Wenn man jung ist, finde ich das in Ordnung. Ich war dort bis ich 20 Jahre alt war. Mit einer Familie könnte ich mir das nicht vorstellen. Meine Frau kommt aus Borna, ist hier groß geworden. Für sie stand fest, dass sie hierbleibt, weil sie hier arbeitet. Deswegen sind wir hiergeblieben. Nicht weil Borna die schönste Stadt der Welt ist, sondern hauptsächlich, weil wir hier eine schöne Wohnung gefunden haben.

SANDRA: Wie lernt man denn in Borna jemanden kennen? Ich finde es selbst in Leipzig schwierig. Benutzt du eine Dating-App?

ANNELIES: Es ist vor allen Dingen schwierig, wenn man – auch wenn ich das Wort echt nicht so mag, weil es abwertend klingt – lesbisch ist. Es steht niemandem auf der Stirn. Wo haben wir uns denn kennengelernt? Es gibt hier in der Nähe ab und zu mal eine Party. Im Rittersaal (in Kitzscher) war irgendeine Veranstaltung und dort ist mir eine Frau aufgefallen. Ich habe sie angesprochen und so hatten wir das erste Mal Kontakt. Wie der Zufall es wollte, haben wir uns danach gefühlt jedes Wochenende gesehen. Wir haben dann angefangen zu schreiben, wie das heutzutage so ist. Früher hat man sich in einer Bar unterhalten oder in der Kneipe kennengelernt. Heute schreibt man auf Instagram. Wir haben uns auf sämtlichen Veranstaltungen gesehen, das war echt verrückt.

SANDRA: Würdest du sagen, dass dir Leipzig mit deinem Coming-out geholfen hat?

ANNELIES: Darüber habe ich mir nicht so viele Gedanken gemacht, aber ich glaube schon. Ich habe dort viele kennengelernt, die auf das gleiche Geschlecht stehen, ob schwul oder lesbisch. Im Sport ist das auch vertreten. Es ist vielleicht ein Klischee, aber gerade beim Fußball gibt es viele. Ich bin damit in Kontakt gekommen, habe andere gesehen und das ein bisschen kennengelernt. Ich habe es dann dort für normal befunden. Davor bin ich in Kitzscher zur Schule gegangen, da war das nicht so gang und gäbe. Mit 14 bin ich auf die Sportschule gewechselt. Ich habe mich erst mit 17 geoutet, weil ich es erst dann richtig gemerkt hatte. Vorher bin ich davon ausgegangen, dass ich „normal“ war. Ich war damals mit meiner besten Freundin und habe gemerkt, dass ich beziehungstechnisch nicht viel mit Männern zu tun haben möchte. Ich denke schon, dass die Zeit in Leipzig eine Rolle gespielt hat.

FRIEDER: Was hat du für Sport gemacht?

ANNELIES: Leichtathletik. Später war ich dann auf Speerwerfen spezialisiert. Es war auf alle Fälle eine coole Zeit. Man ist jeden Tag mit Schule und Sport beschäftigt, hat ein straffes Programm und weiß, was es bedeutet, diszipliniert zu sein. Das war schon echt gut. Für mich gab es das nicht, nachmittags Computer zu spielen oder so etwas, da ging es zum Training.

FRIEDER: Gab es dort einen krassen Druck?

ANNELIES: Man hatte einen gewissen Leistungsdruck. Auf der Sportschule können halt nur die besten sein und wer seine Leistung nicht bringt, hat da nichts verloren. Tatsächlich sind diejenigen, die nicht mehr genug geleistet haben, dann von der Schule gegangen. Es sei denn du machst gerade dein Abi. So wirst du schon für das weitere Leben vorbereitet. Wenn du arbeitest, musst du auch deine Leistung bringen. Es war eine super Vorbereitung für mich.

FRIEDER: Warst du nach deiner Schulzeit noch sportkarrieremäßig aktiv?

ANNELIES: Eher nicht. Mit dem Leistungssport habe ich im Abi-Jahrgang aufgehört. Mir war klar, dass ich damit nicht reich werde. Ich war halt kein Profifußballer. Ich musste mich entscheiden, weil es irgendwie weitergehen musste. Ich wollte unbedingt nach dem Abi für ein Jahr nach Australien. Das habe ich auch gemacht. Mir war klar, dass ich jeden Tag hätte trainieren müssen, und das wäre mir zu anstrengend gewesen. Ich war nicht zum Trainieren in Australien, sondern um etwas von der Welt zu entdecken. Deswegen habe ich mit dem Leistungssport aufgehört und danach nie wieder intensiv Sport gemacht. Nicht täglich, aber jetzt auch nicht zwei Mal die Woche. Das bereue ich ein bisschen, vielleicht mache ich das irgendwann nochmal. Wenn man seit Kindheit an so viel Sport gemacht hat, gehört es zu einem, und man braucht das als Ausgleich.

FRIEDER: Wie geht’s dir mit deiner Homosexualität zurück in Borna, wenn ich so direkt fragen darf?

ANNELIES: Persönlich habe ich in Borna nichts Negatives erfahren. Ich habe mich auch schon vor langer Zeit geoutet – vor über zehn Jahren. Da hatte auf jeden Fall der ein oder andere etwas dagegen oder fand das nicht in Ordnung. Die meinten dann, das wäre nicht normal, oder so etwas hätte es früher nicht gegeben. Solche Sätze habe ich des Öfteren zu hören bekommen. Das ist Quatsch! Es war früher einfach nicht erlaubt, wurde eine Zeit lang als Krankheit abgestempelt, und die Leute hatten Angst zuzugeben und das zu fühlen, was sie wirklich fühlten. Homosexualität ist keine Modeerscheinung, sondern es steckt einfach in einem drin. Das hat es schon immer gegeben, es waren einfach andere Zeiten.

SANDRA: Würdest du sagen, dass es queeres Leben in Borna gibt?

ANNELIES: Naja, vielleicht in Gnandorf. Da sieht man echt viele, aber das ist nicht unbedingt mein Milieu. Nein, ich würde nicht sagen, dass es das in Borna gibt. In meinem Freundeskreis in Borna gibt es niemanden, die auch lesbisch ist. Schwule kenne ich auch keine. Auf der Straße sieht man ab und zu welche, aber es ist jetzt nicht so wie in Leipzig. Da gibt es Bars und Veranstaltungen für Homosexuelle. Sowas gibt es hier nicht.

FRIEDER: Fehlt dir das?

ANNELIES: Tatsächlich finde ich das ganz gut. Ich habe damit kein Problem. Ich war nie so, dass ich nur mit Homosexuellen abgehangen habe. Es gibt Kreise, die nur mit Homos zu tun haben. Das ist nicht mein Fall. Ich mag das Übertriebene eigentlich nicht so. Das ist mein Privatleben und ich muss das nicht mit allen teilen. Ich muss auch nicht nur mit Leuten abhängen, die das mit mir teilen. Ich habe damit kein Problem, dass ich hier so allein damit bin.

SANDRA: Zeigt ihr das auf der Straße? Würdet ihr euch auf dem Stadtfest küssen, umarmen oder Händchen halten? Oder seid ihr eher vorsichtig, weil vielleicht doch mal ein Spruch kommt?

ANNELIES: Wir machen das sicherlich nicht übertrieben, aber wir laufen händchenhaltend durch die Straßen. Man wird manchmal angelächelt. Wir haben nichts zu verstecken. Wir lieben uns genauso, wie Heteropärchen sich lieben. Warum sollten wir nicht Händchen halten dürfen. Ich würde meine Frau nicht abknutschen, das fände ich übertrieben, das gehört nach Hause. Ein Küsschen gibts aber auf jeden Fall. Wir verstecken uns nicht. Es ist nichts Schlimmes und kein Verbrechen. Wir stehen zu dem, was wir sind und wie wir fühlen.

SANDRA: Ich würde mir wünschen, dass es sichtbarer wird. Wir wollten eine queere Person mit in der Interview-Reihe haben und ich habe dann angefangen herumzufragen. Aus meiner Schulzeit kenne ich queere Menschen, aber alle haben Borna vor dem Hintergrund den Rücken gekehrt, dass sie sich nicht so ganz ausleben konnten. Vielleicht auch, weil sie Angst hatten mit einem gleichgeschlechtlichen Partner oder Partnerin durch die Straßen zu gehen. Wir haben mit einer Person gesprochen, die verdeckt in Borna lebt, hier mit ihrer Beziehung zusammenlebt, es aber nicht öffentlich macht, weil sie Angst hat. Es ist so schön, dass es auch Menschen gibt, die sagen, dass sie nichts zu verstecken haben.

ANNELIES: Die Leute, die etwas dagegen haben, können das haben- das stört mich nicht. Ich lebe mein Leben, so wie ich es möchte. Ich bin nicht mit jemandem zusammen, nur weil es der Norm entspricht. Ich zeige mich und habe keine Angst vor irgendwelchen Leuten. Ich finde es schlimm, dass es noch Pärchen gibt, die Angst haben, das öffentlich zu zeigen. Jeder soll doch zeigen, was er liebt, mit wem er zusammen ist. Das ist echt schade.

SANDRA: Ich finde es auch wichtig, weil es Vorbilder schafft. Es ist wichtig, dass junge Menschen nicht nur das Cis-Hetero-Bild kennenlernen, sondern lernen, dass es Verschiedenes gibt und dass sie ihre sexuelle Orientierung selbst irgendwann für sich entdecken können.

ANNELIES: Manche Kinder kennen das gar nicht. Da scheitert es schon bei der Erziehung. Es gibt sicherlich einige Eltern, die sich nicht vorstellen könnten, dass ihre Kinder homosexuell leben. Ich finde es trotzdem wichtig, sie darüber aufzuklären, dass es das gibt, es völlig normal, nichts Schlimmes und keine Krankheit ist. Ich finde es wichtig, dass man das macht. Wir sind im 21. Jahrhundert.

FRIEDER: Auch: zu verstehen, dass Homosexualität von innen kommt und keine Projektion von außen ist.

ANNELIES: Genau, man fühlt es. Ich habe einfach gemerkt, dass ich es mit Männern nicht habe. Ich fühle mich zu Frauen hingezogen. Das ist nicht so, weil ich es möchte oder weil ich davon überzeugt bin, sondern weil ich so fühle. Bei manchen ist es von Anfang an so, andere verlieben sich in einen Menschen, egal welches Geschlecht. Es gibt verschiedene Sachen. Einigen wurde es wirklich in die Wiege gelegt. Ich finde es schade und schlimm, dass man im 21. Jahrhundert Angst haben muss, sich zu zeigen, oder sich verstecken muss.

SANDRA: Würdest du auf einen Christopher-Street-Day in Borna gehen, wenn es ihn gäbe?

ANNELIES: Ja, ich habe nichts zu verbergen, ich wohne hier. Man muss für das einstehen, was man macht. Ich verstecke mich nicht, reize es zwar auch nicht aus, aber ich werde nicht mit einem Meter Abstand neben meiner Frau laufen.

FRIEDER: Wie geht es dir in Borna?

ANNELIES: Ich bin nicht in Borna, weil ich die Stadt total liebe. Ich finde es nicht schrecklich, lebe hier aber auch nicht wegen der Stadt. Es gibt schöne Ecken und genug normale Menschen. Für junge Menschen – ich bin ja auch erst 28 – gibt es hier nicht so viel, dass man sagen würde, man lebt in Borna, weil man hier viel erleben kann. Wir haben hier mehrere Fitnessstudios, aber freizeit-technisch? Klar gibt es hier Vereine und so, aber wenn man am Wochenende etwas unternehmen will, muss man nach Leipzig fahren. Hauptsächlich bin ich wegen der Wohnung und meiner Frau hier.

SANDRA: Was würdest du dir für Borna wünschen?

ANNELIES: Ich denke, dass man etwas für die Jugend machen müsste. Wenn ich durch Borna laufe, sehe ich, wie die Leute in der Bushaltestelle sitzen und ein Bier nach dem anderen trinken. Das finde ich einfach schade. Die Jugend geht hier ein bisschen verloren. Die Jugendlichen suchen sich irgendwelche Ecken, wo sie sich treffen können, weil sie vielleicht kein stabiles Zuhause haben. Sie treffen sich an öffentlichen Plätzen und machen da Blödsinn. Was sie sich für Borna wünschen, müsste man eher die fragen, die das betrifft.

SANDRA: Gibt es etwas, das dir fehlt?

ANNELIES: Mir fehlt in Borna nichts. Ich habe meine Sturm-und-Drang-Zeit gelebt. Meine Party-Zeit habe ich in Leipzig gelebt und bin jetzt eher ruhiger. Mir fehlt nichts: Ich habe ein schönes Zuhause und einen Garten. Ich bin hier glücklich.

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