RAFAEL: Du hast mir geschrieben, dass du 19 Jahre alt bist und aus Suhl kommst und 18 Jahre davon dort gelebt hast, dass deine Eltern ursprünglich aus Togo kommen – und dass du irgendwie immer damit zu kämpfen hattest, nicht wie eine Deutsche auszusehen, obwohl du eine bist. Wie hat sich das denn geäußert?
SAIDA: Ganz allgemein: Wenn Leute mich gefragt haben, woher ich denn komme, und ich dann geantwortet hab, dass meine Eltern aus Togo kommen, dann waren sie immer geschockt. So als würde ich nicht von hier kommen, nur weil ich anders aussehe. Oder wenn ich irgendwem erzähle, ich wäre deutsch, dann heißt es immer so: „Hä, wie kann denn das sein?“ Also irgendwie steht man im Konflikt mit seinem Aussehen und dem, was eigentlich wirklich ist. Weil wenn man mich anguckt, dann denkt man nicht direkt, dass ich deutsch bin. Nur weil ich anders aussehe, assoziieren mich alle mit Afrika. Was eben nicht unbedingt stimmt.
RAFAEL: Ich finde interessant, dass du geschrieben hast, dass du nicht wie eine Deutsche aussiehst. Also denkst du das auch selber für dich? Oder ist das nur das was alle sagen?
SAIDA: Also irgendwie glaube ich schon, dass ich nicht wie eine Deutsche aussehe – aber wahrscheinlich nur, weil Menschen mir immer das Gefühl gegeben haben. Und ich stehe auch schon übel lange im Konflikt mit mir selber, was ich denn eigentlich wirklich bin. Im Pass bin ich klar Deutsche. Aber ich hab ja bei meinen Eltern gelebt und da die Kultur miterlebt. Aber meine Eltern haben mir auch nie das Gefühl gegeben, dass ich so richtig da dazu gehöre. Und irgendwie würde ich es aber gerne, ich würde gerne einfach beides sein. Aber ich glaube, ich bin eher Deutsche als Afrikanerin. Aber ich habe auf jeden Fall nicht das Gefühl, dass ich so aussehe. Es ist auch sehr lustig, wenn Menschen mich nicht kennen und ich anfange zu reden. Dann hab ich schon so oft gehört, dass ich mega gut deutsch sprechen kann. Aber ich wurde eben hier geboren. Das ist natürlich lieb gemeint. Aber es ist irgendwie auch so, als hätten sie den Gedanken, dass ich nur, weil ich Schwarz bin, kein Deutsch reden kann. Das ist eben auch der übelste Quatsch. Und auch wie oft ich schon auf Englisch angesprochen wurde von irgendwelchen Menschen, die mich nicht kennen: Ja, es ist natürlich schön, dass man Rücksicht darauf nimmt und daran denkt, dass die Person vielleicht kein Deutsch sprechen könnte. Aber ich fühl mich immer halb angegriffen dadurch, einfach weil ich Deutsch sprechen kann, und deutsch bin.
RAFAEL: Und das wird dadurch dann immer in Frage gestellt, oder?
SAIDA: Richtig. Genau. Aber das sind so kleine Dinge. Und dann wird es natürlich extremer, wenn ich mit Rassismus konfrontiert werde. Auf der Straße, wenn mir Menschen irgendwas hinterher rufen. Oder auch in der Schule, da ist mir das auch schon mal passiert, dass ich mit rassistischen Äußerungen beworfen wurde sozusagen. Aber ich glaube, es hat sich in den Jahren jetzt verringert. Also wenn ich jetzt dran denken müsste, wann mir das das letzte Mal passiert ist – das ist glaube ich ungefähr ein Jahr her. Also es ist auf jeden Fall schon besser geworden, was das angeht.
RAFAEL: Was denkst du, warum ist es besser geworden?
SAIDA: Gute Frage. Ich weiß es gar nicht. Also ich weiß gar nicht, ob ich sagen würde, dass einfach der Umgang mit Rassismus ein bisschen bewusster geworden ist – vielleicht schon. Aber Menschen, die rassistisch sind, die ändern sich nicht wirklich. So sehe ich das. Ich glaube, vielleicht ist es besser geworden, weil ich einfach gelernt habe, damit umzugehen und solche Äußerungen nicht mehr an mich ran zu lassen. Als ich kleiner war, hat mich das richtig beschäftigt. Da habe ich drüber nachgedacht und mir das zu Herzen genommen. Das mache ich mittlerweile nicht mehr. Und vielleicht auch, weil ich jetzt einfach meinen Freundeskreis habe, wo ich weiß, dass meine Freunde nicht so sind. Und wenn sowas passiert, dann sind immer alle auf meiner Seite und beschützen mich. Ich glaube, dahingehend ist das vielleicht auch besser geworden.
RAFAEL: Kannst du dir vorstellen, nochmal konkreter zu erzählen, wie das in der Schule zum Beispiel war?
SAIDA: In der Schule ist mir das, glaube ich, nur einmal passiert. Da war ich in der fünften Klasse und wir hatten gerade Pause, danach hatten wir Sport. Und kurz bevor die Pause zu Ende war, kam da so ein Typ und hat mich irgendwie mit einer Schoko-Süßigkeit verglichen oder so ein Scheiß. Und er hat das eben als Kompliment gemeint. Ich war komplett verstört und hab angefangen zu weinen, weil ich überhaupt nicht wusste, was das sollte. Also erstens war ich in der fünften Klasse und da kommt ein Typ auf mich zu und macht mir ein Kompliment, das hat mich erstens schon mal überfordert. Und zweitens hab ich nicht mal verstanden, ob das ein Kompliment war oder eine Beleidigung sein sollte. Und ich stand nicht nur alleine da, sondern alle haben das gehört. Dann bin ich eben in die Umkleide gerannt, und hab angefangen zu weinen. Meine Mitschüler um mich rum haben das alle gar nicht verstanden. Die meinten so: „Hä, aber er hat dir doch ein Kompliment gemacht. Das ist doch total toll.“ Aber ich fand es überhaupt nicht toll. Er hat mich eben latent beleidigt. Das war übermäßig komisch. Das ist so das einzige, woran ich mich in der Schule erinnern kann. Ansonsten hatte ich im Endeffekt mit meiner Klasse übel Glück und mit der Schule auch übel Glück. Die waren da halt immer auf meiner Seite. Und in meiner Klasse waren auch zwei Vietdeutsche. Die hat es natürlich nicht ganz so schlimm getroffen wie mich, denn mir sieht man das viel direkter an. Aber ich glaube, ich kann da echt von Glück reden, dass mir sonst nichts schlimmeres passiert ist in meiner Schule.
RAFAEL: Gab es das in der Schule auch, dass du irgendwie was erklären solltest, weil du Schwarz bist?
SAIDA: In der Schule wurde ich öfter gefragt, ob ich in meiner Muttersprache mal was sagen kann. Und das Problem ist halt, dass ich die nicht wirklich sprechen kann, weil das hat mir niemand beigebracht. Und da gab es mal eine Situation im Englisch Unterricht, wo die Lehrerin einfach von mir wollte, dass ich mal was in meiner Muttersprache sage. Und dann waren alle still und ich war still, und ich hab überlegt, was ich jetzt sagen könnte. Aber ich wusste einfach nicht, was ich sagen soll. Das war übel peinlich, irgendwie so vorgeführt zu werden. Also ich versteh natürlich, dass man wissen will, wie sich das anhört und dass man das einfach erfahren möchte. Aber das war irgendwie ein bisschen unangebracht, finde ich. Zu der Zeit habe ich das noch nicht ganz realisiert, dass es einfach dumm war von der Lehrerin, das so zu machen. Ich denke da immer noch drüber nach, wie peinlich die Situation einfach war. Aber ansonsten wurde ich immer im Vorhinein gefragt von Lehrern, ob ich irgendwas erzählen möchte, oder nicht. Und wenn nicht, dann war es auch immer total okay.
RAFAEL: Im Prinzip hättest du da einfach was auf Deutsch sagen können, wahrscheinlich.
SAIDA: Stimmt, hätte ich machen können, ja. Und so allgemein im Alltag war das Schlimmste, das mir mal passiert ist auf dem Weg nach Hause. Wenn man in Suhl am Neuen Rathaus vorbei läuft, dann ist da ja dieser riesige Block. Und danach kommt diese Blockreihe, so eine Wohngegend. Und ich hab halt in dieser Blockreihe gewohnt, und ich musste halt immer unter diesem riesigen Block vorbei laufen. Und in diesem Block wohnen halt glaube ich viele Menschen, die sich nicht so toll verhalten. Ich hab da auch mal Zeitung ausgetragen. Auf jeden Fall bin ich da unten durch gelaufen – eine Minute noch, und ich wäre zu Hause gewesen. Ich lauf da durch, und auf einmal hab ich Bier über mir. Es hat niemand irgendwas gesagt, ich hab das erst auch gar nicht bemerkt. Aber ich hab einfach auf einmal Bier auf mir. Da war ich auch klein und ich wusste nicht mal, was Bier ist. Und auf einmal stinke ich halt… Das war echt nicht schön. Und ich komme nach Hause und erzähl das meinen Eltern, die waren auch so: „Was?“ Ich hab mich dann abgeduscht. Also ich weiß nicht, ob das einfach jemand war, der betrunken war und einfach allgemein über jeden Bier schüttet, der da vorbei kommt. Oder ob das gegen mich gerichtet war wegen meiner Hautfarbe. Keine Ahnung. Aber ich glaub, das war echt das Schlimmste, was mir passiert ist. Und seitdem hab ich tatsächlich auch immer vermieden, da unten durch zu laufen und bin dann immer außen rum gelaufen.
RAFAEL: Ja Shit. Und wie war es sonst in der Öffentlichkeit in Suhl, auf der Straße?
SAIDA: Also, ich kann mich daran erinnern, dass Menschen mir eben Dinge hinterher gerufen haben. Aber irgendwann war es mir dann auch egal und ich bin einfach weiter gelaufen. Und da wo ich gewohnt hab, da war eine Familie, die war total rassistisch. Jedes Mal, wenn ich raus gegangen bin zum Spielen haben die mich N* genannt oder so was ähnliches.
Und die haben eben auch nie aufgehört. Ich kann mich auch noch dran erinnern, wenn wir gespielt haben – und wir waren halt Kinder, und dann ist man halt lauter – dann hat die Mutter von dieser Familie aus dem Fenster geguckt und meinte, dass wir doch leiser spielen sollten, weil wir doch nicht in Afrika sind. So dreist war die einfach, dass die aus dem Fenster gerufen hat und so was rum brüllt.
Deren eine Tochter war auch übel dreist. Die ist glaube ich ein Jahr älter als ich gewesen und hat auch meine Eltern beleidigt, die ganze Zeit! Und ihr kleiner Junge war noch ziemlich jung und hat das ganze Konzept noch nicht verstanden. Der hat mich und meine Geschwister immer Engländer genannt. Keine Ahnung, was das sollte. Aber ihm wurde auch von seiner Familie beigebracht, dass Ausländer scheiße sind, egal woher sie kommen. Meinen Eltern war das dann irgendwann zu viel und dann haben sie die tatsächlich angezeigt. Aber da ist nichts passiert. Das ist ja nur Beleidigung. Keine Ahnung, das hat die Polizei in Suhl nicht interessiert. Also ich kann mich noch erinnern, dass dann diese Familie einen Brief bekommen hat. Und die Polizei hat denen erklärt, dass sie die Möglichkeit haben, dahin zu kommen und auszusagen oder so. Aber soweit ich mich erinnere, ist dann eben einfach nichts mehr passiert. Aber irgendwann sind die dann tatsächlich weg gezogen. Ansonsten kann ich mich auch noch erinnern an eine Sache, als wir letztes Jahr im Zug nach Leipzig unterwegs waren. Ich war da mit meinen Freunden unterwegs und dann war da irgendein Typ mit seiner Frau. Der hat mir irgendwas richtig Dummes hinter her gerufen. Ich hab es gar nicht mal verstanden. Ich hab nicht mal verstanden, dass ich gerade rassistisch beleidigt werde. Meine Freunde haben zu mir gesagt. „Boah, hast du das gerade gehört?“ Und ich war so: „Nee.. Was denn?“ Die haben sich dann übel drüber aufgeregt. Und anscheinend hat der Typ auch nicht aufgehört, aber ich hab es irgendwie nicht so ganz gecheckt. Er hat mich halt richtig dumm beleidigt und meine Freunde waren sogar kurz davor dem Schaffner bescheid zu sagen, dass der Typ ihre Freundin beleidigt. Aber ich hab die Erfahrung gemacht, dass das Menschen nicht so richtig interessiert. Also man kann denen das sagen und die sagen dann so: „Ja ok. Aber aus dem Zug werfen werde ich den jetzt auch nicht.“ Deswegen hab ich ihnen dann gesagt, sie sollen es einfach lassen. Weil ich bin es auch irgendwie gewohnt und ich mag solchen Menschen auch einfach keine Aufmerksamkeit geben, meine Kraft darin investieren, wenn ich irgendwen rufe, der dann irgendwas gegen die macht. Weil es wird eh nichts gemacht. Das Beste was man an der Stelle machen kann, ist glaube ich einfach, solche Menschen zu ignorieren. Und hoffen, dass es halt irgendwann aufhört.
RAFAEL: Und wenn dir auf der Straße was hinter her gerufen wurde, haben dann manchmal Leute sich mit dir solidarisch gezeigt?
SAIDA: Hm, nee, ich glaube das hab ich noch nie erlebt, dass irgendein fremder Mensch für mich eingestanden ist an der Stelle. Nur wenn ich mit Freunden unterwegs war, waren das meine Freunde, die etwas gesagt haben. Also entweder zu mir oder zu der Person. Aber ansonsten ist es mir glaube noch nie passiert.
RAFAEL: Aber würdest du dir das wünschen? Würde das was bringen?
SAIDA: Ja, vielleicht. Ich hab übel oft Angst, alleine Bahn zu fahren, oder alleine Bus gefahren. Denn ich hab immer das Gefühl, da fahren eher solche Menschen mit, oder betrunkene Menschen, die dann eben eskalieren. Ich bin letztens in Jena, wo ich jetzt wohne, nach Hause Bahn gefahren und da waren zwei betrunkene Typen, die haben in der Bahn geraucht und so. Und ich hatte übel Schiss und hab mich sofort weg gesetzt von denen. Ich hab halt das Gefühl, wenn solche Menschen mich angreifen würden, dass niemand irgendwas machen würde. Deswegen, würde ich mir das auf jeden Fall schon wünschen, dass dann irgendjemand da ist, der mich quasi beschützen könnte, weil ich kann nicht so viel dagegen machen. Also ich kann schon was zu denen sagen, aber wenn zwei Männer mir irgendwas antun, dann kann ich mich leider nicht so groß wehren. Also ich hab echt viel, viel Angst nachts in den Bus zu steigen oder in die Bahn zu steigen, wenn ich alleine bin.
RAFAEL: In Jena jetzt genauso?
SAIDA: In Jena glaube ich noch mehr als in Suhl, weil Suhl kenne ich besser.
RAFAEL: Und hattest du mal Situationen, wo du so eine Art Token warst? Also dass man in einer weißen Runde eine Schwarze dazu holt um zu zeigen, dass man nicht so rassistisch ist, oder so?
SAIDA: Ich glaube nicht, ne. Aber ich hatte schon Gespräche mit Leuten, die gesagt haben, dass Ausländer blöd sind, und dann immer gesagt haben: „Aber du bist nicht gemeint, Saida.“ Das mag ich auch überhaupt nicht, da fühl ich mich auch immer total unsicher. Denn warum werde ich jetzt da ausgeklammert? Klar, ich bin jetzt nicht direkt Ausländerin, aber meine Eltern sind eben Ausländer, und ich bin zwar hier geboren, aber irgendwie gehöre ich ja auch zu meinen Eltern, und bin dann quasi auch Halb-Ausländerin. Oder keine Ahnung, was man dazu richtig sagt. Wenn Leute dann so was sagen, dann denk ich immer so: „Das ergibt überhaupt keinen Sinn, was du mir gerade erzählst. Und eigentlich schiebst du dann ja anscheinend unterbewusst auch Hass gegen mich.“ Ansonsten gibt es das, dass Witze drüber gemacht werden, dass ich gerade die Quotenschwarze bin. Aber das war halt immer nur unter Freunden und ich glaub das war auch immer eher als Spaß gemeint.
RAFAEL: Mir fiel auch auf, dass du gleich zwei Leuten eingefallen bist als mögliche Interview-Partnerin für mich. Und ich habe mich gefragt, ob weiße immer an die selben Leute denken, wenn man in Suhl nach Schwarzen Menschen fragt. Gibt es da wirklich einfach nur zwei Schwarze Familien?
SAIDA: Also ich weiß, dass wir in Suhl auf jeden Fall die Einzigen sind, die togolesisch sind. Ich glaube es wohnt noch eine afrikanische Familie in Suhl, ich glaube meine Schwester hat Kontakt zu der. Aber ansonsten sind wir, glaube ich, die einzigen. Und das hat meine Eltern tatsächlich auch übel lange beschäftigt, weil sie sozusagen gar keine Community hatten. Also in Suhl wohnen natürlich ganz ganz viele andere Menschen aus anderen Ländern, aber man kann sich trotzdem nicht wirklich mit denen verbinden, weil man nicht so ganz auf einer Ebene ist. Und weil die nicht die selbe Sprache sprechen. Und auch auf der Schule waren wir, mit meinen Geschwistern, die einzigen die Schwarz sind. Ich hab das übel oft erlebt, dass ich die einzige bin. Deswegen habe ich auch das Gefühl, dass wir in Suhl alleine damit sind. Und deswegen kann es auch gut sein, dass Menschen dann immer an die gleichen denken, wenn es darum geht.
RAFAEL: Ist das in Jena jetzt anders?
SAIDA: Das ist eine gute Frage. Ich muss gerade überlegen, ob ich schon mal Menschen aus afrikanischen Ländern getroffen hab in Jena. Ich glaube nicht. Aber ich habe das Gefühl, dass Jena ein bisschen interkultureller ist, weil viele Erasmus-Studenten da sind und allgemein Studenten, die aus dem Ausland kommen, um in Jena zu studieren. Ansonsten bin ich in den Online-Kursen von der Uni immer die Einzige. Ich hab montags immer eine Veranstaltung, wo es um das Erkennen von Gesichtern geht. Da haben wir uns ganz lange unterhalten darüber, dass Europäer nicht so eine gute Fähigkeit haben, asiatische Gesichter auseinander zu halten. Und dann ging es auch um afrikanische Gesichter. Und ich fühl mich dann so weird, wenn man dann da so darüber erzählt und dann Dozenten merken: „Aha, da sitzt jetzt eine Schwarze mit im Raum, ich muss jetzt extra politisch korrekt reden.“ Und dann benutzen die immer so komische Wörter oder versuchen allgemein einfach „afrikanische Menschen“ zu umgehen, damit ich nicht angegriffen werde. Das finde ich immer richtig komisch. Also nur weil ich die einzige bin, die da sitzt. Und ich weiß immer, dass ich gerade indirekt angesprochen bin damit.
RAFAEL: Ist das eigentlich extra verwirrend, wenn man schon als Kind ständig mit Rassismus konfrontiert ist und das nicht so gut einschätzen kann? Ich meine, wenn man vielleicht nicht richtig weiß, dass es Rassismus gibt, oder das nicht so versteht.
SAIDA: Ja, das stimmt. Auf jeden Fall. Wenn ich so rückblickend darüber nach denke … Jetzt kann ich ganz klar sagen, was da passiert ist und was das für Menschen waren. Aber früher war ich halt immer total traurig, wenn meine Nachbarn nicht mit mir gespielt haben. Das war auch immer so ein Ding: Da musste ich nachfragen ob ich mitspielen kann, und dann haben die sich immer beraten. Und dann hab ich halt meistens die Antwort bekommen, dass ich nicht mit spielen darf. Und dann hab ich mich immer gefragt, worum es geht, und warum das so ist. So unbewusst wusste ich glaube ich schon, was eigentlich gerade abgeht. Weil ich hatte immer eine Unsicherheit, wenn ich auf diese Menschen zugegangen bin und mit denen geredet hab. Und wenn ich dann doch mal mit denen spielen durfte, war ich auch immer total unsicher. Und mir wurde sowas ja auch von klein auf an den Kopf geworfen. Also ich habe, glaube ich, früh angefangen, zu lernen damit umzugehen.
Aber ich konnte es nicht so ganz fassen und und nicht sagen, was eigentlich gerade los ist und was genau in den Köpfen von diesen Menschen vorgeht. Das war auf jeden Fall irgendwie schon verwirrend, ja.
RAFAEL: Ist das irgendwie auch was, was du jetzt viel aufarbeiten musst oder so, im Nachhinein?
SAIDA: Irgendwie nicht, glaube ich. Also, ich hab einfach irgendwann gelernt, dass das was solche Menschen sagen – vor allem wenn es fremde Menschen sind – mir eigentlich am Arsch vorbei gehen sollte. Also genauso wenn Menschen unabhängig von meiner Herkunft irgendwas Dummes über mich sagen und mich gar nicht kennen, dann sollte mir das eigentlich total egal sein. Also klar ist Rassismus nichts, was mir egal sein sollte, weil das total wichtig ist darüber zu reden. Aber wenn fremde Menschen auf der Straße mir irgendwas Dummes hinter her rufen, dann verwende ich definitiv keine Kraft darauf, mich dann zu denen hin zu stellen und dann irgendwas dagegen zu sagen und lass mir meinen Tag vermiesen. Das mache ich definitiv nicht mehr. Ich hab einfach gelernt, dass es ganz ganz viele Menschen gibt, die nicht so sind. Die mich so akzeptieren, wie ich bin. Ich wurde auch schon immer von meinen Freunden unterstützt und von meinen Lehrern unterstützt in der Schule. Ich glaube, dass ich mittlerweile ziemlich gut damit umgehen kann. Und vielleicht war es auch gut, dass Menschen mir gegenüber so waren, auch schon als ich klein war, einfach weil ich jetzt weiß, wie ich damit umgehen kann. Ich glaub, dass ich da nicht so richtig Aufarbeitungsbedarf habe. Also ich bin tatsächlich gerade auch in Therapie wegen einigen Dingen, aber das hat alles nicht mit Rassismus zu tun. Außer in meiner ersten Sitzung, da musste ich einen Fragebogen ausfüllen und da ging es auch um Angst. Und dann hat meine Therapeutin festgestellt, dass ich Punkte mit Bezug zu Angst immer sehr hoch angekreuzt habe. Und dann hat sie mich gefragt, woran das liegt und dann haben wir uns die Punkte nochmal genauer angeschaut. Da gab es so Punkte wie „In der Öffentlichkeit habe ich Angst“, oder „In der Straßenbahn habe ich Angst“. Und dann sind wir drauf gekommen, dass das tatsächlich einfach wegen meiner Hautfarbe ist. Also dass ich nicht allgemein Angst vor großen Menschenmengen hab, sondern Angst, dass Menschen mir irgendwas antun wegen meiner Hautfarbe.
RAFAEL: Ja, scheiße… Und was studierst du eigentlich gerade?
SAIDA: Ich studiere Psychologie. Mit einem Psychologie-Master kann man danach recht viel machen. Aber eigentlich ist mein Ziel, Psychotherapeutin zu werden. Also ich hab ja gerade schon kurz angeschnitten, dass ich gerade in Therapie bin. Und irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich Menschen, vor allem Kindern und Jugendlichen, helfen möchte. Dass sie Hilfe bekommen können, wenn es ihnen so geht wie mir, wenn sie in schlechten Zeiten sind. Ich würde einfach Menschen gerne mit ihrer mentalen Gesundheit helfen. Weil ich einfach weiß, wie es ist, wenn es absolut scheiße ist im Leben. Das war echt meine ganze Motivation, das anzufangen zu studieren.
RAFAEL: Ich hab neulich auch mal irgendwo gelesen, dass es sehr wenig Schwarze Therapeut*innen gibt. Und auch wenig Therapien die sensibel sind für Rassismuserfahrungen. Denkst du das auch?
SAIDA: Das kann gut sein. Also ich glaube, ich hab noch nie davon gehört, dass man in einer Therapie direkt auf Rassismus eingeht. Also ich bin jetzt zwar erst im dritten Semester, aber ich glaube, das wird im Studium auch nicht so wirklich behandelt. Oder auch vielleicht in der Ausbildung dann nicht. Ich weiß nicht, ob es da in der Art Weiterbildungen gibt. Und ich habe auf jeden Fall auch echt Angst, wenn ich dann Psychotherapeutin werde und mit Menschen agieren muss – ich weiß noch nicht, ob ich mich auf Kinder und Jugendliche spezialisiere, vielleicht agiere ich auch erst mal mit Erwachsenen – dass dann Erwachsene zu mir kommen, die rassistisch sind und mit denen ich dann vielleicht gar nicht richtig arbeiten kann. Die mich nicht respektieren. Darüber denke ich auch echt oft nach. Und vor allem auch, weil ich es merke, wenn man ins Krankenhaus geht und was für Bemerkungen ich schon in meinem Umfeld über ausländische Ärzte mitbekommen hab. Von wegen: „Die können kein richtiges Deutsch, können die mich überhaupt richtig behandeln?“ und so einen Quatsch. Da krieg ich echt schon Angst – auch wenn ich richtig Deutsch sprechen kann. Aber dann stellt man die Kompetenz einer Person in Frage, nur weil sie aus dem Ausland kommt?! Das ist eben auch übelster Quatsch. Es gibt ja so Menschen, die latent rassistisch sind, wenn man das so sagen kann. Die immer so ganz nebenbei solche Bemerkungen droppen, dann fühl ich mich auch immer richtig unwohl. Da denke ich auf jeden Fall auch oft drüber nach.
RAFAEL: Ich hab gehört, dass du in Suhl auch politisch aktiv warst. Willst du dazu was sagen?
SAIDA: Ich war im Jugendforum eine Zeit lang, zwei Jahre oder so. Da hat das gerade angefangen mit dem Jugendforum. Aber ich weiß nicht, inwiefern dass jetzt so richtig politisch war. Das Anfangs-Motto war, für die Jugend in Suhl was zu verbessern. Und dass die ganze Jugend nicht einfach irgendwo verschwindet, sondern vielleicht auch wieder zurück kommt.
RAFAEL: Ja, das ist eigentlich auch interessant, weil so ein paar Leute haben auch in Interviews erzählt, dass sie auch wegen dem Rassismus aus Suhl weg gehen wollen. Hat das bei dir auch irgendwie eine Rolle gespielt?
SAIDA: Also eigentlich gar nicht, um ehrlich zu sein. Also ich vermisse Suhl tatsächlich die ganze Zeit, weil meine Freunde alle da sind. Und ich glaube so viel Rassismus hab ich nicht in Suhl erlebt, dass ich Suhl direkt damit verbinde. Das liegt vielleicht auch einfach daran, dass ich so gut Deutsch sprechen kann und Menschen vielleicht dann ihre Vorurteile ein bisschen abbauen, wenn sie mich kennenlernen. Aber ansonsten vermisse ich Suhl total und würde am liebsten wieder hin ziehen, um ehrlich zu sein. Also ich bin nicht direkt deswegen weg gezogen, sondern einfach weil es in Suhl keine Möglichkeiten gibt zu studieren. Also man kann eine Ausbildung anfangen, aber eine Uni gibt es da ja eben nicht. Deswegen bin ich weg gezogen.
RAFAEL: Also würdest du vielleicht auch wieder kommen?
SAIDA: Vielleicht.
RAFAEL: Aber fällt dir noch irgendwas ein, was ich sich in Suhl ändern könnte, in Bezug auf Rassismus?
SAIDA: Also ich finde ja, dass Suhl, was das alles angeht, echt engagiert ist. Also auch, als dann die ganzen Flüchtlinge nach Suhl kamen, hab ich in der Jugendschmiede viel mitbekommen. Wie man sich mit den Flüchtlingen angefreundet hat, als wär es normal – was ja eigentlich auch normal sein sollte – das finde ich echt ganz ganz stark. Und ich finde, dass Suhl da echt schon viel macht. Vor allem auch die Jugendschmiede, das Jugendforum, du mit dem Projekt jetzt, und andere Menschen, Frau Schwalbe zum Beispiel. Also ich finde, Suhl ist da echt vorne dabei, was das angeht. Es gibt natürlich immer Menschen, die blöd sind und Kacke sind. Aber ich finde, wenn es dann Menschen gibt, die dem entgegen wirken und sich dafür einsetzen, dass es nicht so ist, dann ist das echt verdammt stark. Also echt, ich mag das total. Ich erinner mich auch an ein Projekt von der Jugendschmiede oder dem Jugendforum, da gab es ein Interkulturelles Volleyballturnier. Da hat man Teams gehabt, wo mindestens ein Mensch war, der eben nicht aus Deutschland kam, und man hat dann zusammen gespielt. Das fand ich auch eine richtig schöne Idee. Es geht halt immer weiter in Suhl, also es hört nie damit auf, dass Menschen sich dafür einsetzen und mit anderen Menschen aus anderen Ländern in Kontakt treten. Das ist auf jeden Fall toll. Also ich finde, das sollte auf jeden Fall beibehalten werden, weiter gemacht werden.
RAFAEL: Und hast du auch das Gefühl, da werden so Leute mit bedacht, die in Suhl geboren sind und wo eher die Eltern migriert sind?
SAIDA: Das ist ne gute Frage. Da muss ich drüber nachdenken, ob jemand schon mal so richtig auf mich zu gekommen ist, wie du es jetzt bist, um mit mir über das alles zu reden. Ich glaube nicht. Ich glaube, das hat sich vielleicht immer eher auf die Flüchtlinge bezogen, weil es halt auch echt viele gibt, die in Suhl wohnen. Aber ich finde das tatsächlich nicht mal so schlimm. Denn die kommen jetzt in unser Land, können die Sprache nicht, haben total viele Unsicherheiten, müssen sich erst einleben, haben ganz viele andere Probleme. Ich glaube da ist es echt gut, dass sich auf diese Menschen fokussiert wird und versucht wird, denen zu helfen. Und alles zu tun, damit es denen hier in Suhl gut geht. Ja, vielleicht könnte man Menschen, die schon hier geboren sind, ein bisschen mehr integrieren. Aber ich habe das, glaube ich, noch nie als Nachteil empfunden, dass nicht Menschen direkt auf mich zu gekommen sind und gesagt haben: „Hey, Saida, du hast vielleicht auch Schwierigkeiten in deinem Leben?“ Ich bin einfach hier geboren, ich hab ein übelst großes Privileg, dass ich die Sprache sprechen kann, dass ganz viele Menschen mich akzeptieren, wie ich bin. Flüchtlinge haben nochmal ganz andere Hindernisse zu überwinden, wenn die mit fremden Menschen reden, weil die ganzen Vorurteile gegenüber Flüchtlingen ja auch sehr komplex sind.
RAFAEL: Aber die Vorurteile gegenüber Flüchtlingen werden teilweise wahrscheinlich auch einfach auf dich übertragen, wegen der Hautfarbe, oder? Hast du die auch abbekommen, weil Leute dich so einsortieren?
SAIDA: Hm, vielleicht. Vielleicht ist das schon passiert, aber ich glaube ich hab das noch nie so direkt bemerkt. Aber vielleicht haben Menschen mich schon mal als Flüchtling eingestuft, mich deswegen beleidigt oder nicht gemocht, das kann gut sein. Aber ist mir eigentlich auch total egal, weil Flüchtlinge sind halt auch nur Menschen, das ist halt übelster Quatsch, da ein Schubladendenken aufzumachen. Wir kommen alle aus anderen Ländern. Und da jetzt so eine eigene Kategorie für die aufzumachen, oder sie so darzustellen, als wären sie schlechter als andere Ausländer, das ist halt echt totaler Quatsch. Also so richtig dämlich.
RAFAEL: Ich hatte noch, als ich wieder nach Suhl kam, den Eindruck, dass es eher so Engagement von weißen Leuten gibt und ich hab mich gefragt, ob es hier auch Selbstorganisation gegen Rassismus gibt.
SAIDA: Das ist tatsächlich ein echt guter Punkt. Ich glaube auch, dass eher Deutsche sich da stark für einsetzen. Und dass Menschen, die das richtig betrifft, hier nicht so viel machen. Ich weiß auch gar nicht woran das liegt. Als das alles in der USA war, hab ich auch oft gelesen, dass jetzt Schwarze Menschen an der Reihe sind, ein bisschen aufzuklären, weil wir direkt davon betroffen sind. Aber ich war da irgendwie auch ein bisschen im Zwiespalt mit mir. Weil klar, wir sind die, die davon betroffen sind und wir sollten schon irgendwie aufklären, aber irgendwie ist es ja auch nicht so richtig unser Job, anderen Menschen jetzt zu sagen, wo sie was über Rassismus nachlesen können. Jeder soll halt für sich selber gucken, wie er das macht und wie er sich selber aufklärt. Es liegt in der Verantwortung von jedem Mensch selber, sich darüber zu informieren. Aber ich glaube du hast trotzdem Recht damit, dass Menschen, die direkt davon betroffen sind, sich auch dafür einsetzen können, also selbst irgendwas organisieren können.
RAFAEL: Ja ich geh da voll mit, dass ihr als Betroffene da nicht noch die ganze Aufklärungsarbeit machen sollt. Ich hab nur bis vor kurzem in Leipzig gewohnt, und da gibt es jetzt so eine Migrantifa-Gruppe, wo einfach versucht wird, dass sich die Betroffenen selber organisieren, um mehr Raum zu kriegen und überhaupt auch was zu sagen auf Demos zum Beispiel. Und das hab ich in Suhl nicht so wahrgenommen und hab mich gefragt, woran das liegt. Ob vielleicht da einfach nicht so viel Raum gegeben wird oder es keine Unterstützung gibt? Vielleicht hängt das ja auch an konkreten Ressourcen – wer einen mobilen Lautsprecher hat, oder wer weiß, wie man eine Demo anmeldet und sich sicher fühlt, da mit der Polizei zu reden.
SAIDA: Ja, ich glaube schon, dass das eine große Rolle spielt. Vor allem die Ressourcen-Verteilung. Aber es kommt auch immer drauf an, was für ein Mensch man ist, welche Position man jetzt gerade einnimmt. Menschen, die zum Beispiel im Jugendforum sind, können natürlich viel mehr bewirken. Und da kann natürlich jeder beitreten, aber trotzdem muss man da ja dann auch erst mal eine Stimme haben und sagen: „Ja, das wäre vielleicht gut und das könnte man vielleicht machen.“ Also ich glaube, das wird im Jugendforum alles unterstützt, ich will das Jugendforum gar nicht kritisieren gerade. Aber man braucht erst mal so eine Grundlage und dann eine Plattform um das alles zu machen. Und vielleicht ist das in Leipzig einfach besser, weil Leipzig vielleicht größer ist, vielleicht auch politischer als Suhl, ich weiß es nicht.
RAFAEL: Es gibt zum Beispiel auch so einen Verein der extra Demo-Zubehör an migrantische Menschen kostenlos verleiht, und der jetzt so eine Veranstaltungsreihe macht über Versammlungsrecht. Also wäre sowas vielleicht auch eine Idee für Suhl?
SAIDA: Doch, auf jeden Fall. Das würde einiges einfacher machen, glaube ich. Vor allem, wenn man mit der Deutschen Sprache noch ein paar Probleme hat, noch nicht ganz flüssig reden kann. Also ich weiß nicht, wie das ist, wenn man Demos anmeldet, oder wenn man eine Organisation eröffnet, wie das alles ist mit dem bürokratischen Kram, aber das ist wahrscheinlich auch nicht so einfach. Und da Unterstützung zu bekommen, ist auf jeden Fall total hilfreich, klar.
RAFAEL: Fällt dir noch was ein, was du noch gerne erzählen würdest?
SAIDA: Ich hab gerade kurz über die Entwicklung in den USA nachgedacht. Ich hab vergessen, wann das genau war, es ist schon ein paar Monate her auf jeden Fall. Ich hab echt oft geweint deswegen. Auch wenn es nur in den USA war, hat sich alles surreal angefühlt, was da gerade passiert, was da alles abgeht, was für Entwicklungen da gerade sind. Und ich einfach übel Angst, dass das in Deutschland auch passiert. Und ich denk übel oft darüber nach, dass, wenn die AfD an die Macht kommen sollte, so wie es mit der Partei von Hitler passiert ist, dass ich einfach auswandere. Weil ich keine Lust darauf habe, dass mir Dinge passieren, die anderen Menschen schon passiert sind. Ich bin dann auch nicht so, dass ich dann abwarte was jetzt passiert. Ich hab einfach das Gefühl, wenn die AfD es echt soweit schaffen sollte, dann bin ich echt weg von hier. Weil mein Leben ist mir echt viel wert. Und ich hab vor dem allen echt viel Angst. Als das in den USA passiert ist, habe ich ständig drüber nach gedacht, für ein paar Wochen. Weil das echt krass war, und weil dass nicht nur in den USA so ist, sondern auch in Deutschland so passieren könnte. Vielleicht nicht in dem Ausmaß, aber es wurde ja auch schon von einigen Studien bewiesen, dass struktureller Rassismus in der Polizei nicht selten ist. Und wenn ich mir angucke, was die AfD alles schon erreicht hat in den letzten Jahren, dann ist das echt beängstigend. Dass mehr Menschen glauben, dass das eine gute Partei ist, ist sehr sehr beängstigend.
RAFAEL: Ich wollte gerne noch fragen, was du dir wünscht. Für dich, aber zum Beispiel auch von Menschen, die sich die Ausstellung anschauen.
SAIDA: Ich glaube, ich wünsche mir am meisten, dass ich nicht mehr Angst haben muss, wenn ich nachts irgendwo rum laufe. Angst, dass Menschen mich angreifen oder so was. Und dass ich auch irgendwie das Gefühl haben kann, dass Menschen um mich herum sind, die mich beschützen. Unabhängig von meinen Freunden, sondern auch fremde Menschen. Dass sie sich mehr einsetzen, wenn sie sehen, was da gerade auf der Straße passiert und dass jemand in Gefahr ist. Dass Menschen sich dafür einsetzen und für die Person einstehen und ihr helfen. Weil es geht nicht immer nur darum, dass einem irgendwas hinterher gerufen wird, sondern im schlimmsten Fall wird es halt körperlich. Und davor hab ich halt echt einfach … extrem, extrem viel Angst. Und ich kann echt von Glück reden, dass mir das noch nicht passiert ist. Ich hab irgendwie immer das Gefühl, es wird vielleicht noch kommen. Ja, ich würde mir wünschen, dass das mit der Angst weniger wird. Und dass Menschen sich mehr mit Rassismus beschäftigen und was da alles dahinter liegt. Und dass sie sich auch mit den Menschen beschäftigen, die so was erfahren mussten. Um mehr zu verstehen, was da eigentlich alles passiert im Hintergrund. Mit Menschen über Rassismus reden, mit Betroffenen darüber reden. Sich informieren, auf jeden Fall sich informieren. Und auch im Kopf behalten, dass Rassismus kein temporäres Ding ist, sondern dass das immer da ist. Als das in den USA war, hatte ich nämlich das Gefühl, dass alle auf einmal total erschrocken waren. Und ich war so: „Nein, das ist schon immer so. Rassismus ist immer da und ist nicht so ein Ding, was auf einmal auftaucht.“ Und das ging auch ziemlich schnell, dass sich dann niemand mehr so richtig dafür interessiert hat. Das ist halt total schade. Man sollte sich jeden Tag gegen Rassismus einsetzen. Natürlich macht das jeder in seinem eigenen Maß, aber man sollte es einfach im Hinterkopf behalten, dass das immer da ist. Menschen die davon betroffen sind, die können sich nicht quasi einen Tag frei nehmen davon. Man ist immer damit konfrontiert, egal wo man hingeht, egal wo man gerade ist. Das sollte man auf jeden Fall im Hinterkopf behalten.